Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
deiner Mutter nicht ihre Arbeit stehlen wollte. Ich wollte nur etwas finden – irgendetwas –, das mir bei meinen Forschungen weiterhelfen könnte. Aber letzten Sommer ging etwas total schief, und der Podly geriet plötzlich aus der Umlaufbahn und zerschellte nördlich von Pine Creek. Zwei Monate lang habe ich auf dem Springy Mountain verbracht und nach dem Ding gesucht, denn ich hoffte, Grace wenigstens ein paar Teile bringen zu können, damit ihre Arbeit nicht komplett für die Katz war.«
»Findest du es nicht merkwürdig, dass der Podly so
nahe bei Pine Creek abgestürzt ist?«, fragte sie mit noch brüchiger Stimme.
Er runzelte die Stirn. »Ja, ich muss gestehen, dass es schon arg merkwürdig ist.« Er drehte sich um und sah sie voll an. Dabei hob er ihre Hand, um sie mit beiden Händen fest zu umfassen. »Ich möchte nur sagen, dass ich das, was ich getan habe, zutiefst bedauere. Und ich bitte dich um eine zweite Chance. Bitte, lass mich beweisen, dass meine Absichten immer ehrenhaft waren, wenn auch meine Vorgehensweise durch nichts zu rechtfertigen ist.«
Sie machte sich los, faltete die Hände im Schoß und starrte wieder hinaus auf den Ozean.
»Bitte, schließ mich nicht aus, Camry. Lass mich meine Redlichkeit beweisen. Hilf mir, den Podly zu finden, damit ich ihn deiner Mutter bringen kann.«
»Ich kann nie wieder nach Hause zurück«, flüsterte sie. Sie zog die Knie an, dicke Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie weiterhin hinaus aufs Meer starrte. »Ich kann keinem mehr unter die Augen treten. Ich habe gelogen – seit Ewigkeiten schon. Meine ganze Familie habe ich belogen.« Sie ließ den Kopf auf die Knie sinken. »Sie werden mir niemals verzeihen.«
Luke beugte sich über sie und wischte ihr mit seinem Daumen eine Träne von der Wange. »Das heißt also, du würdest es einer von deinen Schwestern
nicht verzeihen, wenn sie in einer kleinen Midlifecrisis versucht, ihre Situation zu vertuschen und sie allein zu bewältigen?«
»Du verstehst nicht. Das würde keiner meiner Schwestern passieren! Die MacKeage-Frauen haben keine Midlifecrisis. Sie sind nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, brillant, erfolgreich und glücklich zu sein.«
Luke reagierte unwirsch, erwiderte ihren ungehaltenen Blick jedoch mit einem Lächeln. »Kein Mensch geht durchs Leben, ohne auf Mauern zu stoßen. Ich würde meinen letzten Dollar verwetten, dass jede deiner Schwestern mindestens auf eine, wenn nicht gar auf mehrere Mauern gestoßen ist.« Er griff wieder nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Du stehst jetzt vielleicht vor einer Mauer, aber nicht am Ende des Weges. Wenn man um so eine Mauer nicht herumgehen kann, dann muss man einen anderen Weg finden. Und deine Mutter«, sagte er und drückte Camry an sich, »wünscht sich verzweifelt, dir zu helfen. Und dein Vater … Ich wette, er würde seinen rechten Arm opfern, um dir über diese Hürde hinwegzuhelfen.« Er beugte sich vor, um ihr in die Augen zu schauen. »Und das würde ich auch, Camry.«
Sie schwieg und entzog ihm ihre Hand, um wieder ihre Knie zu umfassen, wobei sie ständig hinaus auf den Ozean starrte.
Luke drehte sich um und sah die Wellen sanft auf sie zurollen. »Ich habe meine Seele verkauft, um das Geheimnis des Ionenantriebs zu entschlüsseln; aber im Lauf dieser letzten Woche bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass mir meine Arbeit nichts mehr bedeutet.« Er sah sie an und atmete tief durch. »Sag mir, wie ich dir helfen soll«, bat er leise. »Ich werde alles tun, was du willst … Aber ich werde nicht von der Stelle weichen. Ich werde mit dir nach Hause zu deinen Eltern fahren – oder ich hole sie ab, wenn dir das lieber ist. Ich könnte dich auch zu meiner Mutter nach British Columbia bringen. Dort könntest du bleiben, bis du bereit bist, in dein Elternhaus zurückzukehren.«
Sie stand auf. »Ich muss nachdenken.«
Auch er erhob sich. »Damit habe ich kein Problem.« Auf dem Rückweg zum Haus fiel er mit ihr in Gleichschritt. »Solange dir nur klar ist, dass ich nicht fortgehe.«
9
C amry rannte den Strand entlang. Ihr Kopf drohte zu zerspringen, so verzweifelt war sie bemüht, ihre Tränen zurückzuhalten. An diesem Morgen war so viel passiert, dass sie das Gefühl hatte, sich nie mehr davon erholen zu können. So viele Lügen und Halbwahrheiten waren über sie hereingebrochen – und eine davon lief gerade neben ihr her.
Er war Lucian Renoir, der Mann ihrer Träume und Albträume seit über einem Jahr.
In
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