Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
der Liebe, Renoir. Er bewirkt, dass ein räudiger alter Asylköter fast eine Stunde lang ein Kind festhält, das ihn ein Leben lang lieben wollte, und er bewirkt auch, dass eine Mutter zwanzig Jahre lang wartet«, erklärte er und sah dabei Cam an. »Sie lässt das Geheimnis des Ionenantriebs so lange um die Erde kreisen, bis ihre Tochter bereit ist, ihr Schicksal anzunehmen.« Er deutete mit dem Kopf auf die zerknüllten Papiere, die Luke in der Hand hielt. »Und er bewirkt die Chancen, die denen offenstehen, die beherzt genug
sind, tief in ihr Inneres zu blicken und alles, was sie sehen – sogar Fehler –, als die Wunder akzeptieren, die sie wirklich sind.«
»Sie sind nicht vor dem Zauber auf der Flucht, Camry«, fuhr der alte Mann leise fort, »sondern vor Ihrer außergewöhnlichen Leidenschaft fürs Leben. Die Kräfte Ihrer kleinen Schwester erschienen Ihnen immer so überwältigend, dass Sie glaubten, keine eigenen zu besitzen. Aber der Zauber wirkt bei allen, sogar bei Leuten, die ihn nicht annehmen oder nicht verstehen.«
»Wer sind Sie wirklich?«, flüsterte Camry.
Er strich mit einem Schulterzucken seinen fleckigen Mantel oben glatt. »Sagen wir mal, ich bin ein uralter, sehr entfernter Verwandter.« Er warf sich in die Brust. »Ihr könnt versichert sein, dass ich die Autorität – und die Mittel – habe, um eure Trauung legal und bindend zu vollziehen, falls ihr den Mut aufbringt, eurem Herzen zu folgen.«
Er machte eine abwehrende Handbewegung, als sie ihm erneut eine Frage stellen wollte. »Und was Ihre kleine Befürchtung betrifft, schwanger zu werden, so versichere ich Ihnen, dass Sie immer schon die Wahl hatten. Aber jetzt hat sie natürlich auch Luke«, setzte er mit einem Nicken hinzu. »Ihre Schwestern wussten, dass sie Kinder wollten, und deswegen hat die Vorsehung ihnen den Wunsch erfüllt – wenn
auch nicht zum gewünschten Zeitpunkt«, schloss er mit einem Kichern.
Er streckte allumfassend die Arme aus. »Um in Begriffen zu sprechen, die Leute wie ihr verstehen könnt: Das Leben ist in Wirklichkeit nur eine unendliche Matrix, in der alles miteinander verbunden ist. Meist beruht es auf einer ziemlich simplen Gleichung und sieht nur komplex aus, insofern man den freien Willen als Faktor miteinbezieht. Und der freie Wille sticht die Vorsehung immer aus«, fügte er hinzu, wobei er Camry zublinzelte. »Nehmt also das Kinderkriegen aus der Gleichung heraus, ihr beiden, während ihr tief in euch blickt und das Wunder erkennt, das ihr euch – Fionas Wunsch nach – sein sollt.«
Er ließ mit einem Achselzucken die Hände sinken. »Wenn ihr eurem Herzen folgt, könnt ihr nicht irren. Nicht, wenn ihr den Mut habt, dorthin zu gehen, wohin es euch führt. Es gibt keine falschen Entscheidungen – nur die Konsequenz, keine Entscheidung zu treffen, indem man vor seinem Leben davonläuft, anstatt darauf zu«, schloss er leise. Sein Blick war warm, sein Lächeln ermutigend.
Tiefe Stille senkte sich über sie.
Roger AuClair rieb sich plötzlich mit erwartungsvoller Miene die Hände. »Also, meine Lieben, gibt es jetzt eine Hochzeit oder nicht? Denn wenn ich
nicht den Hund kriege, dann kostet es euch die flotte Schneemaschine, mit der ihr gekommen seid. Und das ist mein letztes Angebot«, erklärte er, womit er wieder den alten Einsiedler herauskehrte.
Als Camry und Luke nur wortlos dastanden und ihn anstarrten, runzelte er die Stirn.
»Na schön«, sagte er und zeigte ihnen die offenen Handflächen. »Wie ich sehe, braucht ihr Bedenkzeit. Ich überlasse es euch, die Sache miteinander zu besprechen, da ich ja weiß, dass ihr als intelligente Menschen mit jeder Menge akademischer Diplome die Ehe nicht auf die leichte Schulter nehmt.« Er drehte sich um und ging zur Hütte davon. Max und Tigger sprangen hinter ihm her. »Aber lasst euch nicht zu lange Zeit! Wenn ihr euch nicht einig werdet, bevor Survivorman anfängt, dann könnt ihr die zwei Schlafsäcke am Reißverschluss lösen und jeweils am anderen Ende meiner Hütte nächtigen.« An der Tür hielt er inne und warf ihnen noch einen Blick zu. Seine scharfen grünen Augen blitzten vor Vergnügen. »Solange ich meinen Segen nicht gegeben habe, bleibt der ganze Rummelplatz geschlossen.«
15
W ann hast du ihm von Maxine erzählt?«, fragte Luke leise, als Roger in der Hütte verschwunden war.
»Gar nicht.«
»Wie konnte er dann wissen, was Kate vor dreizehn Jahren zugestoßen ist?« Er hielt ihr die Papiere hin. »Und diese
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