Lockruf Der Leidenschaft
davon überzeugen kann, den Haftbefehl wieder aufzuheben -«
»Und während wir darauf warten, dass dieser Traum in Erfüllung geht, vegetiert Nick im Tower unter Gott weiß was für Bedingungen dahin!«, rief Polly und sprang ungeduldig auf. »Schreite leise, sonst weckst du den Teufel! Ist das Euer Motto, Mylord ?«
»Mir scheint, der Teufel ist bereits geweckt worden«, entgegnete Richard nüchtern. »Und hüte deine Zunge. Nick mag dir hinsichtlich deines Betragens ungewöhnliche Freiheiten erlauben, ich werde das jedoch nicht tun.« Polly errötete und kehrte wieder zu ihrem Platz zurück. Wie beabsichtigt, hatte die Rüge dafür gesorgt, dass sie ihren Rausch rasender Angst, der sie zu diesem Ausbruch verleitet hatte, wieder unter Kontrolle hatte. Richard gestattete sich den Anflug eines Lächelns und hob ihr Kinn an. »Ich verstehe deine Angst durchaus. In Wahrheit teile ich sie sogar. Aber ohne vernünftige Überlegungen und Sorgfalt ist nichts gewonnen. Vertrau mir.«
»Das tue ich.« Zaghaft lächelte sie ihn an. »Aber ich muss Euch trotzdem warnen. Wenn Ihr mir nicht helft, handle ich eben auf eigene Gefahr.«
»Das wäre sehr dumm von dir. Ich werde dir meine Unterstützung nicht versagen, aber ich bitte dich trotzdem, mich zunächst einmal tun zu lassen, was in meiner Macht steht.«
Polly blickte in das ruhige Gesicht, das eine solche Stärke ausstrahlte. Entgegen einem Kavalier alter Schule hätte Richard gewiss keine Bedenken, Polly zu erlauben, dass auch sie ihr Opfer zu der Sache beitrug, zumindest wenn dies der einzige Weg sein sollte, der ihnen offen stand. Hatte er nicht genau das schon einmal von ihr verlangt? Doch neben seiner tiefen und beständigen Freundschaft zu Nicholas hegte De Winter auch durchaus Sympathien für sie. Polly konnte darauf vertrauen, dass er mit nüchternem Realitätssinn handeln würde, aber ohne dabei unnötige Risiken einzugehen.
»Also gut«, stimmte sie ihm zu. »Ihr erwartet aber nicht von mir, dass ich allzu lange warten soll?«
De Winter schüttelte den Kopf. »Wie könnte ich das tun? Aber Nick würde trotzdem nicht wollen, dass du ein solches Opfer bringst, also lass uns herausfinden, ob sich diese Möglichkeit nicht umgehen lässt.«
»Er braucht es ja nicht zu wissen«, widersprach Polly. »Wenn nötig, soll er es sogar niemals erfahren.«
Oh, die Naivität der Jugend, dachte Richard. Dennoch wollte er diese dunkle Arena nicht gern betreten – zumindest noch nicht. »Nun hör mir gut zu, Polly. Du musst so tun, als würde dich all das im Grunde gar nicht berühren. Du bist zwar verwirrt, aber nicht über die Maßen verstört. Du kannst doch jederzeit einen anderen Gönner finden, nicht wahr? Genau das ist es, was die Welt jetzt von dir denken soll.«
»Ja.« Sie nickte. »Das Spiel muss weitergehen, nicht wahr?«
»Braves Mädchen.« De Winter ließ ihr Kinn wieder los. »Geh ins Theater und gib die Vorstellung deines Lebens. Schaffst du das?«
»Natürlich«, lautete Pollys schlichte Antwort, während sie wieder aufstand. »Eine Frau zu zügeln und eine Frau zu lieben wird aufgeführt. Ich soll darin die hinterhältigste, trotzigste Margarita geben, die man sich nur vorstellen kann, und werde damit dem gesamten Schauspielhaus zu verstehen geben, dass ich mir, genauso wie Margarita, von keinem Mann Befehle erteilen lasse - sei es nun ein Ehemann oder ein Gönner. Und die für den König so vergnügliche Abwesenheit meines Gönners macht für meine stetig umherschweifenden Augen auch nur wenig Unterschied. Wir werden also sehen, was der Herzog von Buckingham dann daraus macht.« Doch mit einem Mal verschwand das Blitzen wieder aus ihren Augen, wich der Wagemut aus ihrer Stimme. »Könnt Ihr vielleicht herausfinden, ob Nick irgendetwas braucht, Richard?«
»Er wird untergebracht werden, wie es einem Lord gebührt, Kind. An Bequemlichkeit wird es ihm gewiss nicht mangeln.«
»Aber der Tower ist so ein dunkler und bedrückender Ort.« Polly erschauderte. »Feucht und voll schleimigem Flusswasser, einsam, und die Raben sind die einzige Gesellschaft.«
»Er wird den Gefängnisdirektor zur Gesellschaft haben«, beruhigte Richard sie. »Und sie werden ihn auch nicht ohne Grund auf die Folterbank legen. Und dieser Grund muss laut und für alle hörbar verkündet werden.« Polly wurde noch eine Spur blasser, und Richard stellte voller Verärgerung fest, dass er damit offenbar einen Gedanken in ihrem Kopf gepflanzt hatte, der bislang noch nicht da gewesen
Weitere Kostenlose Bücher