Lockruf Der Leidenschaft
während sich ihr unvergleichlicher Busen vor Aufregung hob und senkte. »Lady Margaret hat so gar nichts für mich übrig, und ich glaube nicht, dass ich hier noch sonderlich lange bleiben kann.« »Vor Lady Margaret brauchst du aber keine Angst zu haben«, widersprach Nicholas leise. »Sie hat keine Entscheidungsbefugnis über dich. Du musst dich nur mir gegenüber verantworten.«
Polly blickte ihn an, als könnte sie es noch nicht ganz glauben. Ihre Unterlippe zitterte kaum merklich. Dann atmete sie tapfer einmal durch und verließ mit entschlossener Miene das Zimmer. »Was für eine meisterhafte Vorstellung!«, staunte De Winter und erhob sich. »Inwiefern?« Nick legte die Stirn in Falten. Sein Freund lachte.
»Mein lieber Nick, ich gehe jede Wette ein, dass sie ihre Reize dir gegenüber nur noch ein einziges Mal so auszuspielen braucht, und du tust alles, was sie von dir verlangt!«
Nick fügte sich in ein reuevolles Lächeln. »Es sollte schon mit dem Teufel zugehen, Richard, aber ich fürchte, du hast Recht. Und trotzdem kann sie Killigrew erst vorgestellt werden, wenn sie noch etwas mehr Schliff bekommen hat, und bis dahin muss sie eben unter meiner Obhut bleiben. Ich will mir lieber nicht ausmalen, was sie anstellen würde, wenn ich sie jetzt schon in irgendeiner Pension unterbringen würde, ohne dass sie auf ihre Karriere als Schauspielerin vorbereitet wurde. Sie ist Müßiggang und Freiheit doch gar nicht gewohnt; überleg doch nur, wozu diese plötzlichen Errungenschaften sie verleiten könnten. Hier hingegen, unter der Aufsicht von Margaret und während wir ihr beibringen, was sie wissen muss, ist sie in Sicherheit.« Mit einem Anflug von Resignation schüttelte Nick den Kopf. »Aber ich gebe zu, dass ich manchmal tatsächlich an meiner Fähigkeit zweifle, ihren Schmeicheleien noch länger zu widerstehen. Bist du nicht auch verzaubert von ihr?«
De Winter streifte seine mit Seide eingefassten Handschuhe über. »Sie hat sich nicht vorgenommen, mich zu bezaubern, Nick.« Mit dieser unbestreitbaren Wahrheit überließ er seinen Freund dessen Grübeleien. Während Polly sich durch den Berg von Silber kämpfte, hatte sie reichlich Zeit, über ihr weiteres Vorgehen nachzudenken. Sie hatte zwar an diesem Nachmittag einige Rückschläge hinnehmen müssen, doch irgendwie musste Lord Kincaid davon zu überzeugen sein, sie zu sich ins Bett zu holen. Und danach konnte er ihr den Schutz, den man einer Mätresse üblicherweise zukommen ließ, nicht mehr versagen. Er würde sie von diesem schrecklichen Ort wegbringen und anderswo einquartieren, um sich fortan ungestört mit ihr amüsieren zu können. Schließlich konnte man seine Mätresse wohl kaum für einen vergnüglichen Nachmittag herbeizitieren, wenn diese gerade Kochtöpfe schrubben sollte. Polly wischte noch einmal besonders energisch über das Rechaud. Sie musste unter dem Schutze irgendeines Mannes leben, bis sie ihren Wert als Schauspielerin bewiesen hatte und ein eigenes Einkommen einfordern konnte. Und Polly sah keinen Grund, warum Nicholas, Lord Kincaid, nicht genau dieser Mann sein sollte. Genau genommen fielen ihr sogar eine ganze Menge Gründe ein, weshalb gerade er dafür geeignet war - und einer der überzeugendsten davon war jener, dass allein die Aussicht auf dieses Arrangement prickelnde Schauer der Vorfreude über ihr Rückgrat rieseln ließ. Denn Lord Kincaid war nicht nur ein höchst vornehmer, sondern zudem noch ein ansehnlicher Gentleman.
An diesem Abend lag Polly auf ihrer Pritsche im Mansardenzimmer und lauschte dem leisen Schnarchen von Susan neben ihr und dem etwas lauteren von Bridget, die in der anderen Ecke schlief. Es war mitten in der Nacht, und in ihrem alten Leben hätte ihre Arbeit kaum erst begonnen; aber Lady Margaret ging stets früh schlafen, und nach dem Abendbrot und den langatmigen Gebeten waren die Bediensteten in ihre Betten entlassen worden. Um vier Uhr früh, also noch vor Sonnenaufgang, würden sie wieder aufstehen müssen, hatte Susan gesagt, als sie mit einem Stöhnen der Erleichterung auf ihr Bett gefallen war, also sollte sie am besten zusehen, dass sie ihren Schlaf bekam. Am nächsten Tag war der monatliche Waschtag, an dem die gesamte Bett- und Tischwäsche des Hauses geschrubbt, getrocknet und gebügelt wurde. Es sei ein entsetzlicher Tag, hatte Susan gestöhnt, und sie mussten früh auf den Beinen sein, um vor dem Beginn der großen Wäsche das dafür benötigte Wasser zum Kochen zu bringen. Diese
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