Lockruf Der Leidenschaft
Richard betont gelassen. »Im Übrigen kannst du ohnehin nicht auf das Wohlwollen des Königs hoffen, wenn du nicht das von Villiers besitzt.« »Es wäre mir einfach lieber, wenn ich ihm nicht wieder begegnen müsste«, erklärte Polly rundheraus und starrte nachdenklich ins Kaminfeuer. Nach ein paar Augenblicken wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden Männern zu. »Ich glaube, ich fantasiere schon. Wahrscheinlich, weil ich so aufgeregt bin.«
Nick erhob sich. »Geh zu Bett, Liebes. Ich bitte Mrs. Benson, dir einen Schlummertrunk zuzubereiten. Das wird dir helfen einzuschlafen.« Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und strich sanft mit den Daumen über ihre hohen Wangenknochen.
»Bleibst du heute Nacht?« Pollys Stimme war kaum mehr als ein Flüstern - nicht aus Rücksicht auf Richard, der so aufmerksam in seinen Wein starrte, als könne nichts anderes sein Interesse wecken, sondern weil ihre Stimme zu erheben sie mehr Kraft gekostet hätte, als sie aufzubringen fähig war.
»Ja, meine Rose, ich bleibe. Und jetzt sag Richard Gute Nacht. Ich bringe dir bald deinen Schlummertrunk.« Nicholas küsste Polly auf die Nasenspitze.
»Schlaf gut, Polly«, sagte Richard und führte ihre Hand an seine Lippen. »Du wirst der strahlende Mittelpunkt der Aufführung sein, das kann ich dir versprechen. Du wirst das Theater im Sturm erobern und alle, die vor dir da waren, einfach wegfegen.« Polly schüttelte den Kopf und errötete vor Verlegenheit. Doch dieses Gefühl rührte in Wahrheit eher von dem liebevollen Tonfall und der eleganten Ehrerbietung dieses Mannes her, der ihr gegenüber gewöhnlich einen forschen, beinahe onkelhaften Ton anschlug, als von seinen Worten. »Nun ja, vielleicht auch nicht, wenn du dir nicht vorher etwas Ruhe gönnst und die Ringe unter deinen Augen verschwinden«, fügte er hinzu. De Winter, der den Grund für Pollys Erröten sofort erraten hatte, war augenblicklich wieder in seinen alten Ton zurückgefallen. »Deshalb tust du jetzt, was man dir sagt, und verschwindest. Du siehst wirklich schlimm aus.« Als sich die Tür hinter Polly schloss, zog Nick an der Klingelschnur und warf Richard ein spöttisches Lächeln zu. »Wie sanftmütig, mein Freund! Sieh dich vor, dass du das Ziel nicht aus den Augen verlierst.« »Das ist ein Ratschlag, den ich lieber dir erteilen sollte«, erwiderte Richard nüchtern. »Denn nachdem wir nun schon einmal so weit gekommen sind, wäre es geradezu töricht, den Sieg nur wegen irgendwelcher Skrupel aufzugeben.«
Sie wurden vom Erscheinen der Hauswirtin unterbrochen, doch sobald sie wieder gegangen war, trat Nick an den Kamin und schob ein hinabgerolltes Holzscheit mit dem Fuß zurück, sodass ein wahrer Funkenregen in den Schornstein aufstieg. »Was für eine vertrackte Situation.« »Ich kann durchaus nachvollziehen, dass sich die Lage ein wenig gewandelt hat«, bemerkte Richard mit einem Achselzucken. »Man müsste blind sein, um nicht zu erkennen, was sich zwischen euch beiden abgespielt hat. Aber das sollte meiner Meinung nach keinen allzu großen Unterschied machen. Ich verstehe ja, dass du dich nicht mehr ganz wohl dabei fühlst, Polly ohne ihr Wissen als Spionin einzusetzen - selbst wenn man davon ausginge, dass Polly trotz ihrer Gefühle für dich immer noch offen wäre für Buckinghams Angebote. Warum klärst du sie also nicht einfach über die wahren Umstände auf und beziehst sie in unsere Verschwörung ein? Bitte sie doch einfach direkt um Hilfe. Sie wird sie dir gewiss nicht abschlagen.« Nachdenkliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.
Mrs. Benson kehrte mit einem dampfenden Zinnbecher mit gewürzter, heißer Milch zurück, in die sie noch einen großzügigen Schuss Wein gegossen hatte. »Der Schlaftrunk, Sir. Damit wird die junge Dame sofort einschlafen.« »Womit er seinen Zweck vollauf erfüllt hätte. Ich danke Euch.« Nick nahm den Becher entgegen und bedeutete der Hauswirtin mit einem Lächeln, das Zimmer wieder zu verlassen. »Ich bringe das hier nur Polly. Wenn du nicht gleich wieder gehen musst, würde ich mich danach gerne noch ein wenig mit dir unterhalten.« Richard nickte, worauf Nicholas den Becher ins Nachbarzimmer trug.
Polly saß gegen die Kissen gelehnt im Bett und wirkte matt und zerbrechlich. Nick setzte sich neben sie, während sie die würzige, heiße Milch trank. »Wenn ich vor jedem Auftritt so große Angst habe, werde ich wohl nie eine zufrieden stellende Schauspielerin abgeben«, vertraute sie ihm
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