Lockruf Der Nacht
Lilith hebt ihr Shirt hoch und zeigt mir ihren aufgeschürften Rücken. »Ich habe noch versucht dich festzuhalten, aber …«
»Ich hab´s ja überlebt.«
Lilith beobachtet wie auch ich die beiden Männer. Payton scheint über irgendetwas wütend zu sein.
»Ich weiß nicht, wie er dich gefunden hat«, sagt sie plötzlich. »Alles war stockdunkel. Er sprang ins Wasser und war für eine ganze Weile verschwunden. Ich dachte schon, der ist jetzt auch weg. Und dann kam er mit dir im Schlepptau zum Boot geschwommen.« Sie sieht mich fragend an. »Vielleicht hast du einen Sender an dir«, sagt sie scherzend und lacht. »Weißt du, Leia …« Ihre Stimme ist leiser geworden. »Ich kann dich verstehen, dass du ihn begehrenswert findest, aber der Mann ist verheiratet. Du wirst ihn nie ganz für dich haben. Ich kann dir ein Lied von solchen Männern singen und …« Sie macht eine Pause, als würde sie nicht weiterreden wollen.
»Und?«
»Halte dich an Yven.«
Ich reagiere nicht, weil ich sonst wahrscheinlich ausfallend werden würde.
27.
Mo habe ich nach dem Bootsausflug nicht mehr gesehen. Er war noch in der gleichen Nacht mit seiner Frau abgereist. Als wir gegen Nachmittag in New York ankommen, fühle ich mich als wäre ich in einem fernen, unbekannten Land gewesen. Im Nachhinein kommt mir alles so unwirklich vor. Bilder rauschen an meinem inneren Auge vorbei und je näher ich über die Party und diese Leute nachdenke, desto mehr kommt in mir ein komisches Gefühl hoch. »Sag mal Lilith, hast du mit irgendjemand außer Payton, Yven oder Mo gesprochen?«
Wir sitzen im Bikini auf meiner Terrasse und halten bei einem Kaffee mit aufgeschäumter Milch die Gesichter in die Sonne.
»Jetzt, wo du mich fragst ... Ich kann mich nicht erinnern. Nein, ich glaube nicht. Warum?«
»Kamen dir die Leute nicht auch irgendwie seltsam vor?«
»Wie meinst du das?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Kennst du den Film ` Tanz der Vampire ´?«
Lilith sieht mich an als hätte ich einen Sprung in der Schüssel.
»Ich meine jetzt nicht die Vampire, sondern das Gefühl unter Menschen zu sein, die nicht so sind, wie normale Menschen eben sind.«
»Ich hol gleich ein Aufnahmegerät, Leia, du musst dich mal reden hören.«
»Ich habe keine Autos gesehen. Oder meinst du, alle sind mit dem Flugzeug angereist und wurden von dem Chauffeur am Flughafen abgeholt und wieder hingebracht wie wir?«
»Ja, warum nicht? Es kann natürlich auch sein, dass sie alle aus dem Keller gekommen sind und sich nachts kopfüber wie Fledermäuse wieder zum Schlafen dort aufgehängt haben.«
»Sehr witzig.«
Lilith zieht meine Beobachtung ins Lächerliche. Soll sie mal, sie hat auch Albträume von Payton gehabt und kam danach reuig zu mir. »Wie bist du mit Payton verblieben?«
»Er fliegt für zwei Wochen nach Europa, dann meldet er sich bei mir.«
Bedauerlicherweise konnte ich über Mo so gar nichts in Erfahrung bringen, außer dass er verheiratet ist. Aber was macht er beruflich? Kümmert er sich auch mit um das Familienimperium? »Was macht er denn in Europa?«
»Sie haben wohl mehrere Firmen dort, um die er sich auch mitkümmert.«
Ob ich das glauben soll? Es ist ja schlecht nachzuprüfen. Ich bin gespannt, ob er Lilith von seiner Reise anruft oder ob er auch dieses Mal kein Telefon im fernen Europa findet.
Am Abend geht ein kräftiger Schauer auf die Dächer New Yorks nieder. Ich liege in meinem Bett und lausche dem Trommeln. Es wirkt beruhigend und einschläfernd auf mich.
Der Regen hat aufgehört und jemand steht neben meinem Bett. Es ist nicht Lilith und es ist auch nicht Mo. Oder doch? Es geht eine seltsame, beängstigende Energie von ihm aus. Ich setze mich auf, rücke an die Wand und ziehe die Beine an.
Plötzlich sehe ich, wie aus seinen Händen ekelhafte lange und scharfe Klauen wachsen. Ich versuche aus dem Bett zu kommen, aber eh ich ein Bein auf den Boden setzen kann, packt er mich grob an den Haaren und versetzt mir einen solchen Schlag gegen den Kopf, dass alles um mich herum schwarz wird.
28.
Der Wecker klingelt mich um sieben Uhr aus dem Bett. Das Wochenende in Newport, die Begegnung mit Mo hat mich wieder aufleben lassen. Ich fühle mich voller neuer Energie. Doch als ich mich erheben will, dröhnt mein Kopf und wirft mich in die Kissen zurück.
Lilith pfeift fröhlich unten ein Lied und Kaffeegeruch liegt in der Luft. Ich starte einen zweiten Versuch und gehe langsam die Treppen runter, als mir plötzlich
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