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Loderne Glut

Titel: Loderne Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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mit Zügen in Kingman ein, und Dr. Montgomery hatte Leute angestellt, die am Bahnhof warteten und den aussteigenden Arbeitern sagten, daß sie zu ihm gehen sollten, damit er ihnen erklären konnte, was eine Gewerkschaft ist.
    Um elf Uhr abends zogen sie aus dem »Kingman Arms« in ein Haus um, das Joe gemietet hatte und an dessen Fassade Plakate hingen, die besagten, das dies die Gewerkschaftszentrale sei.
    Den ganzen Tag hindurch erzählte Amanda den Arbeitern, daß sie Rechte hätten, daß sie, wenn sie sich zusammenschlössen, auf friedlichem Wege Veränderungen bewirken könnten. »Friedlich« war das Schlüsselwort, soviel begriff sie. Taylor und ihr Vater hatten behauptet, daß die Gewerkschaftsleute Brände stiften und Morde verüben würden, aber nicht ein einziges Mal hörte sie jemanden von Gewalttätigkeiten reden.
    Um drei Uhr nachmittags war sie erschöpft und sehnte sich nach einem Bad und einem kühlen Getränk; aber sie hielt durch. Zweimal musterte sie Dr. Montgomery und bemerkte, daß er noch müder wirkte als sie.
    Sie fühlte sich elend, wenn sie die Menschen anschaute. Ihre Augen waren hungrig und müde. Das Baby einer Frau schrie vor Hunger, und Amanda öffnete ihre Geldbörse und gab der Frau das wenige Taschengeld, das ihr zur Verfügung stand. Sie schenkte einer anderen Frau den emaillierten Kamm, den sie im Haar trug. Um vier Uhr nachmittags schickte sie Joe los, um ihren Chauffeur zu holen. Sie gab James den Auftrag, ins Restaurant zu gehen, um dreihundert belegte Brote zu bestellen und diese dann zu verteilen - die Rechnung, sagte sie ihm, sollte man ihrem Vater schicken.
    Etliche Male spürte sie, wie Dr. Montgomerys Blick zu ihr wanderte, aber sie sah immer zur Seite.
    Die Kinder bedauerte sie am meisten. Wie konnte man Kindern, die gerade den Windeln entwachsen waren, zumuten, auf den Feldern Hopfen zu pflücken? Wie konnte sie es ertragen, diese kleinen Würmer hungern zu sehen? Die Kinder wollten sie anfassen, weil sie so sauber war und so hübsch, und mehrere Male hielt Amanda ein Baby auf den Armen, während sie dem Vater erklärte, was eine Gewerkschaft ist. Zwei Babys machten sie dabei naß, und eines übergab sich auf ihrer Schulter.
    Gegen acht Uhr abends begann das Haus sich zu leeren. Die Arbeiter hatten angefangen, sich einen Lagerplatz im Freien zu suchen.
    Amanda saß auf ihrem Stuhl hinter dem kleinen Tisch, der mit Papieren und Bleistiften übersät war, und blickte mit stumpfen Augen um sich. Sie schien nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Heute war sie durch die Hölle gegangen und zurück - oder vielleicht war sie noch nicht gänzlich daraus zurückgekehrt?
    »Laß uns wo hingehen und etwas essen«, hörte sie Reva zu Dr. Montgomery sagen.
    Wie betäubt, ohne sich ihrer Handlung bewußt zu sein, stand Amanda auf. Nach Hause, dachte sie, heim zu einem heißen Bad und einer heißen Mahlzeit.
    Hank beobachtete Amanda, und er wußte, was sie in diesem Augenblick empfand. Als er das erste Mal mit Taglöhnern gearbeitet hatte, war ihm genauso zumute gewesen wie ihr. Die Armut war niederschmetternd, und er war ebenso schlecht darauf vorbereitet gewesen wie Amanda. Vielleicht war es das, was er zuerst in Amanda gespürt hatte - daß sie ein Mensch war, der mit anderen fühlte. Sie war um Taylor besorgt, um ihren Vater und um ihre Mutter. Sie forderte nichts für sich, weil sie meinte, daß andere Menschen wichtiger wären als sie selbst.
    »Geh mit Joe zum Essen«, sagte Hank zu Reva. »Ich habe hier noch etwas zu erledigen.«
    Reva wußte, daß er noch etwas mit Amanda zu erledigen hatte. »Ich hätte auch belegte Brote herumschicken können, wenn ich einen Vater hätte, der reich ist«, maulte sie verbittert. »Sie hat das Geld, um das zu tun, was wir alle gern tun möchten.«
    »Ich habe aber keine Kinder gesehen, die dir das Kleid vollgespuckt haben«, erwiderte Hank und ging zu Amanda. Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Kommen Sie mit mir.«
    »Ich muß nach Hause«, flüsterte sie, ohne ihn anzusehen. »James wird schon auf mich warten.«
    James, dachte er, nicht »mein Chauffeur«, oder »mein Wagen«. »Ich werde ihm sagen, daß er heimfahren soll. Ich schulde Ihnen Abbitte, und die will ich auch leisten.«
    Sie blickte zu ihm auf und sah Verständnis in seinen Augen. Sie nickte. »Ich möchte irgendwo hingehen, wo es sauber und still ist«, flüsterte sie.
    Er nahm ihre Hand in die seine und führte sie zu seinem Wagen. Er erlaubte Amandas Chauffeur,

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