Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Besatzung der Burg, deren Familien und Gesinde und alle Flüchtlinge darin den Sarazenen ausliefern, wenn auch nur der Hauch einer Chance bestand, dass die Erstürmung der Burg Robert rettete. Sie waren ausgezogen, um den Herrn von Kyme wiederzufinden. Und wenn ihr Vater, der alte Lord, tot war, dann gab es einen neuen: Robert. Und ihn würde sie um jeden Preis retten.
    Sie zog die Knie an den Leib und schlang die Arme darum. Leise begann sie zu weinen. Sie weinte um ihren Vater, um Johnny, der vielleicht schon tot und erschlagen war. Sie weinte um Robert, der morgen sterben würde, wenn ihr verzweifelter Plan misslang. Und sie weinte, weil die Verzweiflung sie wünschen ließ, dass König Richard jetzt hier wäre, sie in den Arm nähme und ihr zuflüsterte: »Es wird alles gut.«

13
    E s dauerte eine Weile, bis Sheriff de Laci sich bequemte, in den Saal seines Hauses zu kommen. Währenddessen hockte Victor zähneklappernd und wütend vor dem Kaminfeuer und versuchte vergeblich, den grauenhaften Würzwein hinunterzuwürgen, den ihm ein Bediensteter angeboten hatte. Es hatte zu regnen begonnen, einen halben Tag, nachdem er und sein Knappe sich von Diane getrennt hatten. Und es hatte auch nicht aufgehört während seines Aufenthalts in London; als er schließlich nach Nottingham aufgebrochen war, hatte es wie aus Kübeln zu schütten begonnen. Er war nass bis auf die Knochen, fühlte eine Erkältung herannahen und überlegte, wie er Diane die Verzögerung erklären sollte, die durch seinen Abstecher nach Nottingham entstanden war.
    Er wusste, dass sie ihn schelten würde, weil er noch immer keine Spur von Edith und Robert gefunden hatte. Zuletzt fragte er sich, warum er nicht gleich in Aquitanien geblieben war. Die Antwort war einfach: weil der Familiensitz dort seinem älteren Bruder zugefallen war und nur eine Heirat mit Diane ihn vor dem Schicksal eines mittellos durch die Lande ziehenden Ritters bewahren konnte. Dass er seinen Aufstieg einem angelsächsischen Bauerntölpel verdankte, der dumm genug gewesen war, sich im Heiligen Land fangen zu lassen – tja, so war das Leben! Sollte er, Victor, sich deshalb etwa noch Vorwürfe machen?
    Und es gab zugegebenermaßen noch einen anderen Grund, weshalb er die beschwerliche Reise auf sich genommen hatte: Er liebte Diane wirklich. Allerdings war sie ihm in den letzten Wochen mit ihren Launen und ihrer Melancholie gewaltig auf die Nerven gegangen. Es gab einen weisen Spruch: Drei Dinge können einen Mann aus dem Haus treiben – ein rauchender Kamin, ein tropfendes Dach, aber das Schlimmste ist ein zänkisches Weib. Er seufzte und betrachtete den Dampf, der von seinen quietschnassen Reitstiefeln aufstieg.
    »Der Sheriff kommt«, verkündete der Knappe und erhob sich.
    Roger de Laci polterte in den Saal und machte eine Handbewegung, die alles bedeuten konnte, von einer Begrüßung bis zu einer rüden Geste. »Tut mir leid, dass Ihr warten musstet, Victor«, sagte er und sein abschätziger Ton strafte seine Worte Lügen.
    »Ich war die letzten Tage in London, Messire«, sagte Victor. »Es geht das Gerücht um, König Richard habe das Land verlassen.«
    »Bah! Es gibt auch ein Gerücht, dass König Artus seit sechshundert Jahren auf einer Insel in einem See herumsitzt und darauf wartet, dass England ihn wieder braucht.«
    »Es scheint was dran zu sein, Messire. Ich habe mehrfach versucht, eine Audienz zu bekommen, und bin jedes Mal mit fadenscheinigen Ausreden abgewiesen worden.«
    Der Sheriff sah Victor nachdenklich an. »Und das, obwohl Ihr über Eure Mätresse mit der Königin verwandt seid …«
    »Falls Ihr von meiner Verlobten sprecht, Messire …«, begann Victor, dem das Blut in die Wangen stieg.
    Roger de Laci hatte gar nicht zugehört. »Wenn er die Burg in Chinon aufgesucht hätte oder irgendeines seiner Güter in Aquitanien, hätte ich davon gehört. Seltsam.«
    »Wenn er nicht da ist, wäre das doch ein günstiger Zeitpunkt.«
    »Wofür?«
    Victor sah sich um. Andauernd schlurften Dienstboten durch den Saal. »Äh … um loszuschlagen«, flüsterte er.
    Der Sheriff machte eine Kopfbewegung. »Kommt mit!«
    Sie stiegen die steile Treppe zur Küche im Erdgeschoss hinunter. Eine Handvoll Köche und Mägde hielt sich dort auf; der Sheriff verscheuchte sie mit einem knappen Befehl. Dann machte er sich zu Victors Erstaunen daran, eine Wildschweinkeule, die einer der Dienstboten bearbeitet hatte, weiter auszulösen. Er war dabei so geschickt wie der beste

Weitere Kostenlose Bücher