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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nur, weil ihm noch keiner erklärt hat, wie einträglich Ungehorsam sein kann.«
    Victor blubberte: »Nicht mit mir, Messire. Da mache ich nicht mit … Ich habe mich Euch nur angeschlossen, weil ich dachte …«
    »Hier geht es nicht mehr darum, ob Ihr mitmacht oder aussteigt, Victor. Ihr wisst schon zu viel. Hier geht es darum, ob Ihr mitmacht oder … sterbt .«
    Der Sheriff blickte auf das Messer in seiner Hand. Die Klinge war lang und dünn, von tausendmaligem Wetzen abgeschliffen und vermutlich ganauso scharf wie der Zorn Gottes.
    »Aber …« Victor schluckte.
    »Ich danke Euch für die Nachricht, Victor«, sagte der Sheriff und lächelte. »Kehrt nun zu Eurer Verlobten zurück. Ich übertrage Euch große Verantwortung: Ich lasse meine Waffenkammer nach Kyme überführen. Kyme ist so was von unwichtig, dass niemand auf die Idee kommen wird, dort nachzusehen, falls irgendwas schiefgeht, und außerdem alter angelsächsischer Besitz. Der Name ›Wilfrid de Kyme‹ ist es, den alle in den Ohren haben, wenn sie an die Burg denken, und nicht ›Victor d’Aspel‹. Deshalb fällt kein Verdacht auf den Ort. Was für ein Glück, dass Ihr so eine Null seid, mein treuer Freund Victor. Macht Euch abmarschbereit, damit Ihr den Transport begleiten könnt. Seid bedankt für Eure selbstlose Hilfe!«

14
    E s ging alles so einfach, dass Edith wusste, es würde später noch Schwierigkeiten geben. Die Ritter, die den Ausfall gewagt hatten, kehrten zwei, drei Stunden später wieder zurück. Was sie erbeutet hatten, hing an ihren Sätteln oder lag tot darüber. Üblicherweise versuchte man, Tiere lebend zu fangen, weil Schlachtfleisch zu schnell verdarb. Aber in dieser Situation konnten die Ritter es sich nicht leisten, widerspenstige Ziegen und Schafe mitzutreiben. Nur Schnelligkeit konnte sie davor bewahren, von den Belagerern abgefangen zu werden. Einige der Pferde liefen ohne Reiter mit. Anscheinend hatten die Dörfler in der Umgebung ihre karge Habe erbittert verteidigt.
    Ediths Herz tat einen Satz, als sie an den Wappenfarben der Schabracke erkannte, dass auch das Pferd von Thibaud d’Orval seinen Reiter verloren hatte. Raymonds Herr hatte also die Mission nicht überlebt. Wäre Raymond mit dabei gewesen, hätte er bei seinem gefallenen oder verwundeten Herrn bleiben müssen und wäre auch getötet worden. Manchmal stellte sich doch heraus, dass Feigheit der klügere Teil der Tapferkeit war. Sire Thibauds Tod würde überdies Roberts Aufgabe erleichtern; die anderen Ritter kannten den Knappen sicher bei Weitem nicht so gut. Daher würden die Männer Robert erst einmal in Ruhe lassen, damit er um seinen Herrn trauern konnte. Es blieb nur zu hoffen, dass auch Robert diese Chance erkannte und sich entsprechend verhielt. Edith ballte aufgeregt die Faust. Dann wurde ihr plötzlich klar, dass sie über den Tod eines anderen Menschen erleichtert war, weil ihr dieser einen Vorteil brachte. So untrennbar verwoben hatte Gott Leben und Tod! Mit den hilflosen Küken, die er aus dem Nest holte, fütterte der Marder seine eigenen, hilflosen Jungen, die ansonsten verhungerten. In gleicher Weise konnte Sire Thibauds Tod der Schlüssel zur Rettung Lord Wilfrids sein. Edith erschauerte. Wie konnte man Gott täglich darum bitten, von Unheil verschont zu bleiben, wenn das eigene Unheil vielleicht einen anderen Menschen rettete?
    Die Reiter donnerten heran, Robert erhob sich aus seiner Deckung, hielt sich theatralisch die Seite und winkte. Ein Ritter scherte aus; er führte das Pferd Sire Thibauds am Zügel. Ohne wesentlich zu verlangsamen, galoppierte er an Robert vorbei und warf ihm die Zügel zu. Edith hörte nicht, was der Ritter ihrem Bruder zurief, aber die Geste war klar – nun gehörte dem Knappen das Pferd seines Herrn. Robert blickte unwillkürlich zu Ediths Versteck herüber, und sie zog erschrocken den Kopf ein, aber die Ritter achteten nicht auf den vermeintlichen Knappen ihres gefallenen Waffengefährten. Robert fasste sich, kletterte in den Sattel und trieb Sire Thibauds Pferd an. Dann mischte er sich unter die Reiter, deren Pferde als Letzte das Flussufer erklommen. Das reiterlose Tier Raymonds sprang hinterher, und schon waren alle über den Rand des Wadis verschwunden. Nur der aufgewühlte Boden und der nachrutschende Sand verrieten, dass hier jemand entlanggekommen war. Jetzt war Robert wirklich auf sich allein gestellt.
    Aber für Edith galt dies genauso. Dies wurde ihr umso beklemmender bewusst, als sie Steinchen

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