Loewenmutter
Pärchen unter den Bäumen, und Markus versuchte mir das Spiel mit den Bauern und der schwarzen und der weißen Königin beizubringen.
Er wolle mir helfen, sagte er. Aber wie sollte er mir helfen können? Es gab keinen Platz für einen Mann in meinem Leben. Ich war nicht verliebt, dazu war ich viel zu traurig und verletzt. Die zwölf zurückliegenden Jahre hatten traumatische Spuren hinterlassen. Alles was ich von Männern kannte, waren Schläge, Unterdrückung und Demütigungen. Wie konnte ich mich da noch auf einen einlassen, wenn ich immer mit dem Schlimmsten rechnen musste? Meine Mutter sagte, sie hasse Männer. Ich hasste sie nicht, aber ich wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Doch Markus war anders. Seine Höflichkeit, mit der er mir eine Serviette reichte oder ein Glas Wasser einschenkte, faszinierten mich. Ich kannte das Dienen als Aufgabe der Frau, aber nun diente er mir. Er schaute mir in die Augen, er fragte mich nach meiner Meinung, er nahm mich ernst, und er spielte mit mir ein Brettspiel, das in meiner Heimat nur Männer spielen.
In den folgenden Wochen führte er mich durch Hamburg, als sei ich eine Touristin und er der Touristenführer. Wir stiegen auf den Dom und auf den Fernsehturm, schlenderten durch Sankt Pauli und gingen abends ins Theater. Wir kauften Fisch auf dem Fischmarkt, frühstückten an der Alster und kochten gemeinsam Abendessen. Und jedes Mal, wenn Markus mir etwas Neues zeigen konnte und ich begeistert war, strahlte er, als hätte ich ihm ein Geschenk gemacht, nicht er mir. Stundenlang lag ich ihm mit meinen Problemen in den Ohren, erzählte und bat ihn, mir mit Anträgen und Formularen zu helfen, die ich beim deutschen Familiengericht einreichen wollte. Umsonst übrigens. Auch dort stieß ich nur auf bedauerndes Kopfschütteln: »Tut uns leid, aber auf das tunesische Recht haben wir keinen Einfluss.«
Wir führten unendlich lange Gespräche, bei denen ich weinte und Markus mich tröstete. Er erwartete nichts von mir, das war schön, aber gleichzeitig unheimlich. Ein solches Verhältnis zwischen Mann und Frau kannte ich nicht von muslimischen Beziehungen. »Ich weiß, dass das in Deutschland ganz normal ist, dass unverheiratete Frauen und Männer miteinander sprechen. Aber meine Tradition und der Glauben erlauben das nicht«, versuchte ich ihm zu erklären. »Aber es gefällt dir doch auch?« – »Ja, aber es fällt mir schwer, dich in mein Leben zu lassen oder dich als guten Freund zu akzeptieren.« – »Warum?« – »Weil ich es nicht kenne. Ich kämpfe um meine Kinder und bin mit meinen Gefühlen bei ihnen. An etwas anderes kann ich nicht denken.«
Markus tat mir gut, aber er brachte mich auch durcheinander. Manchmal sahen wir uns wochenlang nicht, dann wieder täglich. Es wurde Frühling, er ließ nicht locker, bis wir uns eines Tages nach meiner Arbeit in einem Café bei mir um die Ecke trafen. Wir saßen im Freien, es war frisch, ich hatte einen Eisbecher bestellt, löffelte eine Weile schweigend vor mich hin und kam mir vor wie vor dem Showdown in einem schlechten Film. Ich musste endlich klare Verhältnisse schaffen. »Ich kann nicht«, brach es unvermittelt aus mir heraus. »Jetzt nicht.« – »Warum nicht?«, fragte er wie immer und durchbohrte mich mit seinen unschuldigen Blicken. »Wenn du mit mir zusammen sein willst, dann musst du dich beschneiden lassen, musst Moslem werden und deinen Namen ändern, und dann müssen wir in die Moschee gehen und unsere Verbindung beglaubigen lassen.«
Ich sah ihn nicht an, während ich ihm diesen Katalog von Forderungen um die Ohren haute, sondern beobachtete ein paar Spatzen, die die Krümel unter den Stühlen und Tischen der Gäste aufpickten. »Das kannst du nicht alles wegen mir tun«, fügte ich hinzu. Dass Religion nicht Markus’ Sache war, wusste ich. Gleich würde er aufstehen und gehen, dachte ich und wartete. Doch er stand nicht auf, stattdessen zwinkerte er mit seinen blauen Augen, legte seinen Arm um meine Schultern und fragte: »Sonst noch was? Wenn du willst, werden wir all das machen, sogar noch viel mehr. Wir werden heiraten und Kinder kriegen.«
Damit hatte ich zuallerletzt gerechnet. Ich erschrak. »Am besten zehn Stück, und du ernährst uns alle als Pizzabäcker«, entgegnete ich forsch, um meine Unsicherheit zu überspielen. »Warum nicht?« – »Weil ich an nichts anderes als an meine Kinder in Tunesien denken kann und dich nur ausnütze.« Bei diesen Worten sah ich, wie sich Markus’ Augen mit
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