Loewenmutter
meistens schon. Man erzählte mir dann immer, was mich alles noch erwarten würde: Scherereien mit den Behörden, und ich solle mir ja angewöhnen, immer pünktlich zu sein. Manchmal würde, wer kein Deutsch spricht, blöd angemacht. Das sei aber noch lange kein Grund, die Sprache zu lernen.
Wir Frauen unterhielten uns in der Küche und schälten dabei Zwiebeln, Kartoffeln und Äpfel, tischten Essen auf und räumten wieder ab. Wir aßen zusammen mit den Männern oder getrennt, machten den Abwasch. Während unsere Männer im Wohnzimmer über alte Zeiten redeten und über ihre verflossenen Freundinnen. Ich bekam immer nur Satzfetzen mit, hörte aber doch, wie sie sich mit ihren deutschen Freundinnen brüsteten, die sie alle vor ihrer Ehe gehabt hatten. »Schöne Frauen, kluge Frauen, verruchte Weiber, Huren, Nutten.« Die meisten hatten sich von ihren arabischen Liebhabern ein Kind andrehen lassen, für das die Männer natürlich die Vaterschaft abstritten, wie Abdullah auch. Wenn meine Landsleute bei ihren deutschen Amouren wenigstens in der Liebe etwas gelernt hätten! Aber nicht einmal das war der Fall.
Einer von Abdullahs Freunden war Deutscher, verheiratet mit einer Italienerin. Bei diesem Besuch durfte ich in Jeans gehen. Ich war dann aber auch wieder nur Staffage, verstand nichts und bekam auch nichts übersetzt. Also beschränkte ich mich aufs Beobachten und setzte mich in einen Sessel, von dem aus ich einen guten Überblick hatte. Die Szenerie war mir unheimlich: die beiden Männer vor dem Fernseher, Bier und Schnaps in sich hineinschüttend, sich kugelnd vor Lachen. Mein Mann machte Witze, und je mehr er trank, desto deftiger und lauter. Er flirtete mit der Frau seines Freundes, zischte »meine Schöne« durch die Zähne, während sein Adamsapfel auf und ab sprang. Mir war’s egal, ich wunderte mich aber trotzdem, dass sein Freund dazu lachte und sogar stolz darauf zu sein schien. Der Abend endete erst, als sich beide Männer auf dem Klo übergeben hatten.
Im Auto neben Abdullah ekelte ich mich. Wie er nach Alkohol und Zigaretten stank! Er war mir noch fremder als sonst. Wäre er gegen einen Baum gefahren, ich glaube, ich wäre weggelaufen. Weit weg, so weit ich nur konnte. Aber er fuhr gegen keinen Baum, und als ich einmal davonlief, kam ich nicht weit. Zu Hause ging ich sofort ins Bett. Nicht einmal abgeschminkt habe ich mich. Dabei liebte ich es, mir vor dem Zubettgehen mit beiden Händen kaltes Wasser ins Gesicht zu schöpfen, mich mit dem Handtuch trocken zu rubbeln und mich mit beiden Händen einzucremen. Was mache ich bloß? An nichts anderes konnte ich mehr denken: »O Allah, mach, dass ich schlafen darf.«
Schwanger
Meist bin ich abends als Erste ins Bett gegangen. Sobald ich hörte, dass Abdullah den Fernseher ausschaltete, tat ich so, als ob ich schliefe. Manchmal hatte ich Glück, manchmal nicht. Wenn er kam und mit mir schlafen wollte, war ich eiskalt, gewehrt habe ich mich nie. Es war sowieso immer schnell vorbei. Wie ein Gewitter.
Wenn ich ihm sagte, dass ich meine Tage habe, gefiel ihm das gar nicht, und er machte mir Vorwürfe: »Wie kannst du nur?«, oder »Warum wirst du nicht schwanger?« Richtig beleidigt und wütend war er und wollte es nicht dulden. Als ob eine Schwangerschaft in meiner Macht stünde. Dann ging es aber doch sehr schnell. Wie es ist, schwanger zu sein, wusste ich nicht.
Ich war deprimierter als ohnehin alle Tage, und morgens, wenn ich meinem Mann Brot und Tee richtete und sein Essen einpackte, war mir schwindlig. Ich wollte nicht darauf achten. »Was ist los mit dir?«, fragte er mich und schien mich mit seinen grünen Augen zu durchbohren. »Weiß nicht«, antwortete ich achselzuckend. »Wenn du bloß schlauer wärst!«, sagte er. »Vielleicht bist du schwanger und merkst es nicht mal?« Und er beschloss, mich zu einer gynäkologischen Untersuchung zu bringen.
Als er mich nach der Arbeit abholte, um mit mir zum Arzt zu fahren, saßen schon ein Freund und dessen Frau im Auto. »Sie wissen Bescheid und kommen mit zum Frauenarzt«, sagte mein Mann. Ich reichte beiden die Hand und lächelte. Wenn die gewusst hätten, wie unangenehm mir die Situation in Wirklichkeit war? Ich genierte mich so.
Wir kamen in eine große Praxis nur mit Frauen: Frauenärztin, Arzthelferinnen und Laborantinnen. Das war mir recht, ich war zum ersten Mal zu einer solchen Untersuchung in einer Arztpraxis, ein Mann hätte mir sicher große Angst gemacht. Überall standen bequeme helle
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