Lohse, Eckart
in
Bayern bei allen Bundestagswahlen rund 20 Prozent
sämtlicher Unionsstimmen, oft sind es auch mehr. Als 1980 Strauß
antritt und 2002 Stoiber, liegt der CSU-Anteil am
Unionsergebnis sogar bei mehr als 23 Prozent.
Im Jahr 2005, als Angela Merkel knapp zur
Kanzlerin gewählt wird, steuert die CSU mehr als 21 Prozent
aller Unionsstimmen bei, vier Jahre später sind es immerhin noch knapp 20 Prozent,
obwohl die CSU in einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte steckt. Bayern
liefert, darauf kann die CDU sich verlassen. Aber der Preis dafür ist, dass die
große Schwester sich eine Menge gefallen lassen muss. Die Angst davor, das
Gewicht im Bund und die Macht in Bayern mit all den dazugehörenden Privilegien
zu verlieren, treibt die CSU vom einfachen Mitglied bis hinauf zum Vorsitzenden
immer zum politischen Kampf an. Die Macht muss nicht erkämpft, sie muss
verteidigt werden. Auch das erinnert an Guttenberg, dem seine politische Macht
gleichsam vor die Füße fällt, der aber dafür sorgen muss, sie zu behalten.
Als erst durch den Aufstieg der
Grünen und später durch den der Partei Die Linke das Parteiengefüge in den 15
nichtbayerischen Ländern und in Deutschland insgesamt aus den Fugen gerät,
beschleicht die CSU allmählich die Sorge, irgendwann könnte auch ihr gelobtes
Land an der Reihe sein, würde auch sie so etwas Hässliches wie eine Koalition
bilden müssen - von Schlimmerem wie dem Verlust des Amtes des Ministerpräsidenten
ganz zu schweigen. Das muss man sich vor Augen halten, um zu begreifen, wieso
die einst so selbstbewusste Partei seit dem Jahr 2008, seit die
FDP in München mitregiert, so verzweifelt nach einem Retter Ausschau hält, der
macht, dass alles wie früher wird.
Der machtpolitische Anspruch,
dauerhaft die Partei für das ganze (bayerische) Volk zu sein, ist über die
Jahrzehnte nur aufrechtzuerhalten mit einer inhaltlichen Bandbreite, die zwar
stets den konservativen und auch den rechten Rand des Wählerspektrums mehr
bedient als den linken, die aber immer die Interessen der gesamten Bevölkerung
im Blick hat. Das »S« im Parteinamen ist so ernst gemeint wie das »C«. Der
Bauer, der Arbeiter und der kleine Angestellte kommen über die Jahrzehnte in
einem von der CSU regierten Bayern so zurecht wie der selbständige
Handwerksmeister oder der Manager. Nicht nur was das Soziale angeht, erbringt
die CSU eine hohe Integrationsleistung. Es gelingt ihr, die vielen Vertriebenen,
die der verlorene Krieg nach Bayern gespült hat, in die Gesellschaft und in
die Partei zu integrieren. Jene CSU, die bis heute in der Ausländerpolitik so
gern ihre konservative Seite herauskehrt, ist also durchaus in der Lage,
Fremde aufzunehmen und an sich und das Land zu binden. Gerne weisen CSU-Politiker
darauf hin, dass die bayerischen Großstädte mit ihren zum Teil hohen
Ausländeranteilen besser zurechtkämen als viele Städte im Rest des Landes.
Bevorzugt wird dabei der Vergleich mit Berlin.
Den Anspruch, auch eine Partei der
kleinen Leute zu sein, einem jeden, der genug Leistungswillen hat, Chancen zum
gesellschaftlichen und materiellen Aufstieg zu bieten, sozusagen einen
American Dream unter weiß-blauem Himmel, dokumentieren die Lebensläufe des Führungspersonals
der CSU. Sinnbild ist Franz Josef Strauß, der 27 Jahre lang Vorsitzender der
CSU und zehn Jahre lang bayerischer Ministerpräsident war und bis weit über
seinen Tod im Jahr 1988 hinaus
Patriarch und Vorbild der Partei blieb. Noch heute gilt es in der CSU als
höchste Auszeichnung, mit Strauß verglichen oder gar in dessen Nähe gerückt zu
werden. Keines der führenden Parteimitglieder hat solch dauerhafte
bundespolitische Bedeutung erlangt wie er.
Strauß' Vater war Metzger. Der
begabte Sohn machte 1935 das beste
Abitur in Bayern seit dem Jahr 1910. Mit Hilfe
eines Stipendiums studierte er Altphilologie und Geschichte. Er steht nicht nur
für die Aufstiegsmöglichkeiten, die die CSU ihren Mitgliedern bietet, sondern
auch für die inhaltliche Bandbreite der Partei. Sein Leitspruch, dass rechts
von der CSU keine Partei entstehen dürfe, ließ ihn immer hart am konservativen
Wind segeln. Doch war es andererseits ausgerechnet Strauß, der im Jahr 1983 einen
Milliardenkredit für die DDR einfädelte und sich händeschüttelnd mit dem
Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker fotografieren ließ.
Bis in die Gegenwart ist die CSU
eine Aufsteigerpartei. Der Vater Edmund Stoibers, des einzigen CSU-Granden, der
als Parteivorsitzender und
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