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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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eines Schokoladenladens. Sieht, wie dämlich er dreinschaut, und geht in den Laden. Kauft fünf Tafeln Schokolade und Nougateier. Alles für Veronika, die blutet und blutet und jedes |67| Mal ein Kind ausschwemmt. Ein potentielles Kind, denkt Hanns und reißt die Verpackung einer Schokotafel auf. Gegenüber auf dem Spielplatz bolzen drei Jungs und machen Krach für zehn. Hanns geht rüber und schaut ein paar Minuten zu, wie die Jungs sich um den Ball kloppen.
    Was machen Sie hier? Neben ihm steht eine junge Frau mit Kinderwagen, einem von diesen irrwitzig teuren Teilen, dreirädrig und protzig. Was machen Sie hier?
    Hanns ist verwirrt. Ich stehe hier rum und schaue zu, wie die Jungs spielen. Wo ist das Problem?
    Er sieht es in den Augen der Müslitante, wo das Problem ist. Er kann es ganz deutlich sehen. Dass die an seinen Schwanz denkt und sich fragt, ob er den in Kinderärsche steckt. Er sieht, wie sie auf die Schokotafeln schaut, die er noch in der einen Hand hält, eine davon offen. Und er könnte jetzt jeden Satz aufschreiben, den diese Ökobraut gerade im Kopf formuliert. Er macht einen Schritt auf sie zu und fragt, ob sie glaube, dass er diese kleinen Pelés da ficken will. Die Tofutussi schreckt ein wenig zurück und presst die Lippen zusammen. Hanns fühlt die fette blaue Wut aufsteigen. Gleich wird er kotzen. Der Braut vor die Füße. Dunkelblauen Schleim wird er ihr auf die Zehen reihern, wenn die nicht gleich die Biege macht. Das scheint die zu ahnen. Sie zischt ab. Langsam, als sei er nicht zurechnungsfähig. Die Angst ist ihr ins Gesicht gemeißelt.
    Aus dunkelblauer Wut wird hellblaue Verwunderung. Er hat sich schon wieder hinreißen lassen. Als ob es wichtig wäre, was diese Waldorfmutter da von ihm denkt. Hanns lächelt, dreht sich um und geht. Hinter ihm bolzt der Ball gegen Maschendraht, die Jungs brüllen sich an.
    Veronika sitzt zu Hause am Computer und wartet auf ihn. Zum ersten Mal seit ewigen Zeiten hat er dieses Gefühl. Dass sie auf ihn wartet. Das stimmt ihn mild und freundlich. Er stellt sich hinter sie, pustet ihr einen Kuss |68| in den Nacken und schielt auf den Bildschirm. Da stehen lauter Ichs und Ahs.
    Veronika, sagt er, was ist denn los mit dir? Er dreht den Bürostuhl um, wundert sich, dass sie auf einem Handtuch sitzt, und beugt sich tiefer hinab. Seine Frau sieht müde aus. Und erschrocken. Was ist denn los, fragt er noch einmal, und Veronika schweigt. Hanns wendet sich ab und geht in die Küche. Legt den Weißwein ins Gefrierfach und schaut nach, was es zu essen geben könnte. Viel ist nicht da. Ich mache Pasta mit Pesto, ruft er durch die Küche, hin zu Veronika. Das hilft. Normal zu tun, als sei gar nichts. Er geht in die Kammer, um ein neues Geschirrtuch aus dem Schrank zu holen, und sieht einen Haufen Klamotten vor der Waschmaschine liegen. Er hebt den Haufen an und riecht schlechtes Blut. Sieht die roten Flecken und reimt sich nun eine Erklärung für Veronikas Ahs und Ichs zusammen. Da haben wir wohl wieder mal ein Kind verloren, murmelt er. Und fühlt tatsächlich eine winzige Traurigkeit in sich aufsteigen.
    Ihm ist es damals nicht nahegegangen. Er war viel zu wütend, konnte es mit dieser dunkelblauen Wut im Bauch gar nicht ranlassen. Aber Vroni, die lag wie ein Häufchen elendes Unglück im Krankenhausbett. Es ist tot, Hanns. Das war der einzige Satz, den sie sagen konnte. Tausend Mal wohl an diesem Tag. Es ist tot, Hanns. Das hatte er gesehen. Sie haben es ihm gezeigt. Sah aus wie ein perfekter kleiner Mensch, alles dran und wohl auch alles drin, was reingehört in so ein Kind. Nur kein Leben. Das Leben hatten sie beide vergessen bei der Bauzeichnung. Veronika und er. Haben ein Kind in die Welt gevögelt und das Leben vergessen.
    Hanns nimmt die blutige Wäsche und stopft sie in die Waschmaschine. Schaltet auf vierzig Grad und tausendzweihundert Umdrehungen. Drückt den Knopf und bleibt |69| stehen, bis die Trommel sich zu drehen beginnt. Sieht hinter der Glasscheibe die blutige Wäsche taumeln, wie sie sich rundundrum bewegt, träge und eklig. Geht in die Küche, kehrt noch einmal um, weil er das Geschirrtuch vergessen hat. Kocht Spaghetti und motzt das Pesto aus dem Glas noch etwas auf, mit Olivenöl und Parmesan. Er deckt den Tisch und legt Stoffservietten neben die Teller. Holt die Kristallgläser aus dem Schrank, die ganz staubig geworden sind vom unbenutzten Leben. Wienert die Gläser so lange, bis sie glänzen wie ein Schatz. Stellt den Weißwein in einen

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