Lola Bensky
verdächtig, was seinen Namen und seine Adresse und sein Telefon auf sein Auto schreibt«, sagte Schlomo. Schlomo, der in Amerika geboren war, sprach ein grammatikalisch misshandeltes Englisch mit jiddischem Akzent. »Wo bist du zur Schule gegangen? In Minsk? Oder in Pinsk?«, fragte ihn sein Boss regelmäßig.
»In Brooklyn«, lautete jedes Mal Schlomos Antwort.
Schlomo war so ungeschickt, dass niemand ihn je wegen irgendetwas verdächtigte. Wenn er nicht gerade hinter dem Steuer saß, löste er bei den meisten Leuten Fürsorglichkeit und Mitgefühl aus. Verdächtige, denen er auf den Fersen war, fragten ihn manchmal, ob sie ihm helfen könnten. Er wirkte irgendwie verloren. Außerdem hatte er einen miserablen Orientierungssinn. Er trug immer und überall ein GPS -Gerät mit sich herum. Es war wasserdicht und für Wanderungen bestimmt. Mit einem wasserdichten GPS -Gerät musste
Schlomo sich niemals Sorgen machen, dass es beschädigt würde, wenn es zu regnen anfing. Wenn er zu Fuß unterwegs war, warf er alle ein bis zwei Minuten einen Blick darauf. Immer wieder blieben Leute stehen und wollten ihm helfen, den richtigen Weg zu finden.
Auch Schlomos Frau versuchte ihm zu helfen. Jeden Morgen legte sie ihm seinen schwarzen Anzug zurecht, ein sauberes Hemd, frische Unterwäsche und Socken. Außerdem packte sie ihm das Mittagessen, einen Ausdruck der Wettervorhersage und im Sommer eine schwarze Sonnenbrille in eine schwarze Schultertasche.
Schlomos Tollpatschigkeit im Verein mit seinem harmlosen, um nicht zu sagen heillosen Auftreten erwiesen sich als Vorteil. Verdächtige plauderten freimütig mit ihm und enthüllten häufig weit mehr, als das ultraprivate Detektivbüro wissen musste. Ehemänner, die von Schlomo beschattet wurden, vertrauten sich ihm an. Häufig taten sie Schlomo leid. Mitleid gehörte nicht zum Anforderungsprofil, wie Schlomos Boss schon wiederholt gemahnt hatte, wenn er die Fotos und Berichte seiner Treffen vorlegte.
Das ultraprivate Detektivbüro war ein Drei-Mann-Unternehmen. Das heißt, eigentlich zwei Mann, Schlomo und Harry, und eine Frau, ihr Boss, Petrushka Inge Maria Pagenstecker. Beziehungsweise Pimp, wie Schlomo und Harry sie nannten.
Schlomos Kollege Harry war ebenfalls lizensierter Privatdetektiv. Harry konzentrierte sich hauptsächlich auf die Internetrecherche. Es schien wenig zu geben, was Harry nicht fand. Er recherchierte die Lebensumstände von Kindermädchen, Hundeausführern, Babysittern, Putzfrauen, Haussittern, Blind Dates und potentiellen Partnern. Er fand heraus, ob jemand eine kriminelle Vergangenheit hatte oder ange
zeigt worden war oder seinerseits jemanden angezeigt hatte. Er fand heraus, ob jemand Verkehrsdelikte begangen hatte. Er fand heraus, ob jemand Geld hatte oder Schulden, ob jemand bankrott gegangen war, Schecks platzen lassen hatte, mit der Tilgung eines Kredits im Rückstand war oder Steuern hinterzog. Was immer man über seinen Freund, den Exmann der besten Freundin, die Frau seines Onkels oder seinen früheren Geigenlehrer wissen wollte, Harry war der Mann, der es herausfand.
Harry verantwortete alle Recherchen in Scheidungssachen. Außerdem stellte er für das ultraprivate Detektivbüro Statistiken zusammen. Dank Harry war das Detektivbüro darüber informiert, dass es bei ehelichen Überwachungsaufträgen außerordentlich erfolgreich war. In achtundneunzig Prozent der übernommenen Fälle wurden die Partner überführt. Harry war der Meinung, dass sie mit dieser Tatsache Werbung machen sollten. Doch Petrushka Inge Maria Pagenstecker glaubte nicht an Werbung. Sie glaubte an Mund-zu-Mund-Propaganda. »Werbung ist nicht privat«, sagte sie. Weder Harry noch Schlomo verstand, was sie damit meinte, doch sie hinterfragten oder bezweifelten selten etwas, das sie sagte.
Harry wies darauf hin, dass zwei Drittel der Klienten des ultraprivaten Detektivbüros Frauen waren. Er wies außerdem darauf hin, dass in neunundneunzig Prozent der Fälle, in denen ein Mann seine Frau beim Ehebruch ertappte, die Ehe anschließend vorüber war. Ertappte jedoch eine Frau ihren Mann beim Ehebruch, wollten die Frauen in fünfzig bis sechzig Prozent der Fälle ihre Ehe retten. Wenn männliche Klienten feststellten, dass ihre Frauen sie betrogen, wurden sie Harry zufolge wütend. Wenn Frauen der Untreue ihrer Ehemänner auf die Schliche kamen, brachen sie in Tränen
aus. Lola war sich nicht sicher, ob das ultraprivate Detektivbüro diese Art von Information benötigte, aber Harry
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