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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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erfüllt von der alten guten Laune, wie ein Künstlerduo, das nur noch miteinander redet, wenn es gemeinsam auf der Bühne steht.
141. Anzeigen
    Etwa zu dieser Zeit fing Natalie Blake damit an, heimlich die Website zu besuchen. Warum fängt man an, eine Website zu besuchen? Anthropologische Neugier. Die Aussage »Ich hab gehört, auf dieser Seite sind viele Leute« wird rasch ersetzt durch »Ich kann gar nicht glauben, dass es tatsächlich Leute gibt, die auf so einer Seite sind!«, gefolgt von der Frage: »Was sind das eigentlich für Leute, die auf so einer Seite sind?« Wenn die Website etliche Male besucht wurde, ist die Frage beantwortet. Die Sache wird zum Teufelskreis.
142. Technologie
    »Ich habe es nur für die Arbeit.« »Das ist für die Arbeit – ich zahle nicht selbst dafür.« »Ich brauche es für die Arbeit, aber ich muss ganz ehrlich sagen, es macht doch manches einfacher.« »Das ist mein Arbeitshandy, sonst hätte ich wahrscheinlich gar keins.«
143. Gegenwart
    Natalie Blake, die allen erzählte, diese ganzen teuren Technikspielereien seien ihr zuwider und sie könne das Internet nicht ausstehen, liebte ihr Handy und war hilflos, zwanghaft, adverbienlastig süchtig nach dem Internet. Obwohl unglaublich schnell, war ihr Handy aber immer noch zu langsam. Als sich die Aufzugtüren in Covent Garden schlossen, hatte es die neue Website ihrer Kammer noch nicht ganz heruntergeladen. Während der ganzen zwanzigminütigen U-Bahn-Fahrt verharrte der Bildschirm in ihrer Hand störrisch bei dem Satz:
     
    Rechtsberatung auf höchstem Niveau
    in unserer schnelllebigen Zeit
144. Geschwindigkeit
    Irgendwann wurde uns klar, dass wir »modern«, dass wir schnelllebig sind. Dass wir immer kurz nach dem Jetzt kommen. Auch John Donne war ein Mensch der Moderne und erlebte Veränderungen, aber wir fühlen uns noch moderner und glauben, dass unsere Veränderungen schneller vor sich gehen. Selbst das Unveränderliche beschleunigt. Selbst die Obstblüte. Während sie sich in einem schmuddeligen Laden in der Chancery Lane Station eine Samosa kaufte (ein Überbleibsel ihrer Kindheit, diese grundsätzliche Bereitschaft, von jedem überall Essen zu kaufen), checkte Natalie Blake wieder einmal die Anzeigen. Inzwischen checkte sie sie zwei-, dreimal täglich, wenn auch immer noch als Voyeurin, ohne selbst einen konkreten Beitrag zu leisten.
145. Perfektion
    Aus irgendeinem Grund war das geplante Picknick Natalie Blake besonders wichtig, und sie machte sich akribisch an die Vorbereitungen. Sie kochte alles selbst. Sie entschied sich für einen Picknickkorb mit echtem Porzellan und echten Gläsern. Schon als sie ihn online bestellte, war ihr klar, dass das eigentlich »zu viel« war, doch ihr Kurs war gesetzt, und sie sah sich nicht in der Lage, noch einmal die Richtung zu ändern. Im Büro steckte sie mitten in einer Auseinandersetzung zwischen einem Technologieunternehmen aus China und seiner britischen Vertretung. Bei der ersten Videokonferenz hatte der chinesische Generaldirektor sein Erstaunen nicht verbergen können. Eigentlich dürfte sie gar nicht zu einem Picknick gehen. Eigentlich müsste sie im Büro sein und sich durch die jüngsten Eröffnungen der Gegenseite arbeiten. Natalie ließ sich nicht abbringen. Sie wählte ein Outfit. Glitzersandalen, Kreolen und Armreife und ein langer ockerfarbener Rock mit braunem Top, das Haar in einem riesigen Afroknoten, den sie mit dem abgeschnittenen Bein einer schwarzen Strumpfhose, am Hinterkopf verknotet, aus dem Gesicht hielt. In diesem Outfit fühlte sie sich afrikanisch, obwohl nichts, was sie trug, aus Afrika stammte, bis auf die Ohrringe vielleicht und die Armreife, vom Prinzip her. Ihr Mann kam gerade an der Küche vorbei, als sie versuchte, drei zusätzliche Tupperdosen in dem leinenausgeschlagenen Picknickkorb unterzubringen, den sie für den Anlass erstanden hatte.
    »Großer Gott. Ist das alles von uns?«
    »Sie ist meine älteste Freundin, Frank.«
    »Die zwei kommen sicher im Trainingsanzug.«
    »Ein Picknick besteht nicht nur aus Dope und einem Sandwich aus dem Supermarkt. Wir sehen sie kaum noch. Das Wetter ist so toll. Ich möchte, dass es schön wird.«
    »Von mir aus.«
    Er schob sich theatralisch an ihr vorbei. Ein Arzt, der die Wahnsinnige nicht reizen will. Er öffnete den Kühlschrank.
    »Nicht essen. Wir gehen picknicken. Du kannst beim Picknick essen.«
    »Seit wann backst du?«
    »Lass die Finger davon. Das ist Ingwerkuchen. Aus Jamaika.«
    »Du weißt

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