Long Reach
prompt:
Nein. Ruf um 5 an. S x
Das war eine Zurückweisung, aber wenigstens versüßt mit der Aufforderung, mich später zu melden. Und mit einem »x«, was immerhin ein Fortschritt war. Oder vielleicht las ich auch einfach zu viel rein. Der Nachmittag schleppte sich dahin. Ich saß draußen auf dem Balkon und sah zu, wie die Frachtkähne schwerfällig den Fluss rauf und runter tuckerten. Die Wolkenkratzer von Canary Wharf glitzerten in der Sonne und ich muss den Landeanflug von mindestens zwanzig Flugzeugen auf den City Airport gesehen haben. Jedes Mal wirkte es, als würden sie in den Canary Wharf Tower krachen. Ein Blick auf die Uhr. Halb fünf.
Beim letzten Nachschauen war es vier Uhr neunundzwanzig gewesen.
Schließlich wurde es doch fünf, aber ich wollte nicht zu zwanghaft rüberkommen und auf den Punkt genau anrufen, also wartete ich drei Minuten ab. Sofort hörte ich die Mailbox:
Hi, hier ist Sophie. Ich kann den Anruf leider nicht entgegennehmen. Bitte hinterlass mir eine Nachricht.
Das tat ich nicht. Stattdessen legte ich auf und verfluchte mich, dass ich nicht Punkt fünf angerufen hatte.
Dann klingelte mein Telefon.
»Eddie? Hier ist Tony. Kannst du reden?«
»Tony«, sagte ich enttäuscht. »Gerade ist es nicht so gut, ich erwarte einen Anruf von Sophie Kelly.«
»Klaro.« Tony schaltete schnell. »Gute Arbeit. Ruf mich zurück.« Er legte auf.
Ich wartete weitere zehn Minuten und versuchte es erneut. Mailbox. Diesmal hinterließ ich eine Nachricht; angepisst, aber bemüht locker und fröhlich. »Hi Sophie, hier ist Eddie. Ruf mich zurück, wenn du Zeit hast. Oder ich versuch’s später noch mal. Tschüssi.«
Tschüssi?
Ich schlug mir an die Stirn. Wieso hatte ich das nur gesagt?
Dann klingelte mein Telefon wieder.
»Eddie?« Sie war es.
»Hi, wie geht’s?«
»Danke, gut.« Keine Entschuldigung also.
Peinliche Stille. Das Reden blieb an mir hängen.
»Hör mal, ich hab mich gefragt, ob du nachher noch was machen willst? Kino oder so?«
»Heut geht nicht. Ich bin weg, tut mir leid.«
Ich fluchte innerlich.
»Dann morgen?«
»Da hab ich dieses riesige Familiendings, gemeinsames Mittagessen am Sonntag …«
»Ach«, sagte ich ausdruckslos. »Okay, vielleicht nächstes Wochenende?«
»Ich könnte dich im Greenwich Park treffen, morgen Nachmittag, wenn das geht?«
Das klang, als suche sie einen Kompromiss. Ein gutes Zeichen.
»Das wäre super. Wo sollen wir uns treffen?«
»Da gibt’s doch diese Statue beim Observatorium. Da komm ich um vier hin.«
»Vier. Hervorragend«, sagte ich, als wäre es ein echter Geniestreich von ihr, überhaupt eine Uhrzeit zu nennen. Ich kam mir vor wie ein Volldepp. »Dann sehen wir uns morgen.«
»Okay«, sagte sie. »Bis dann.«
»Tschüss.«
Tschüss?
Der sagenumwobene, lang erwartete Anruf war aus und vorbei, nach kaum sechzig Sekunden voller Pausen und einsilbiger Worte.
Aber ich hatte ein Date.
Ich rief Tony zurück. »Du sprichst mit dem Mann, der eine Verabredung mit Sophie Kelly hat«, sagte ich und platzte fast vor Stolz.
»Feine Sache«, sagte er. »Bestens. Hast du’s Ian schon gesagt?«
Meine Stimmung rutschte in den Keller. »Muss das sein,Tony?«, stöhnte ich. »Ich will nicht, dass er überall seinen Rüssel reinhängt.«
»Er ist dein Führungsoffizier, Kumpel, da bleibt dir keine Wahl. Er wird dich wahrscheinlich eh einfach weiterwurschteln lassen, aber melden musst du’s ihm.«
Ich seufzte. »Okay, ich sag ihm Bescheid.«
»Schau Montagmorgen mal rein und besuch mich. Erzähl mir, wie’s mit euch gelaufen ist.« Tony war wieder ganz der liebe Onkel. »Wäre gut, wenn wir uns mal wieder auf den neuesten Stand bringen würden.«
»Da hab ich eigentlich Schule.«
»Arzttermin.«
»Und was soll ich denen sagen, was mit mir los ist?«
»Denk dir was aus«, sagte Tony. »Wie wär’s mit Tripper? Genitalwarzen?« Er lachte schäbig. Mir war das peinlich und das spürte er sogar durchs Telefon.
»Tut mir leid, Eddie.« Er hustete. »Asthma vielleicht?«
»Okay, Tony«, sagte ich mit pfeifenden Bronchien. »Bis Montag.«
Achtzehn
Der Sonntag drohte allmählich genauso zäh zu geraten wie der Samstag. Ich war um zehn aufgestanden und hatte mir ein Schinkensandwich gemacht, bevor ich wieder Ameisen im Hintern bekam. Ich hörte mir noch ein paar von Steves Aufnahmen an, aber die machten mir Angst, also schaute ich ein bisschen Comedy auf YouTube und machte dann einen Spaziergang am Flussufer.
Ich nahm
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