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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cocks
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Schlinge um den Hals legen konnte. Nicht mal Telefone rührte Tommy an: Er sprach mit Dave Slaughter und Dave machte den Anruf. Ein Küchenschneebesen war der verfänglichste Gegenstand, den Tommy jemals in Händen hielt.
    Durch die Installation meiner Software hatte ich gleich zu Beginn sichergestellt, dass der komplette Datenverkehr auf Tommys Computer unter Überwachung stand. Wäre ich eine dieser Gestalten gewesen, die da oben in Beaconsfield Baylis und Tony auf dem Laufenden halten mussten, hätten mich die Ergebnisse schwer enttäuscht. Nur Google-Suchen und heruntergeladene Auktionskataloge. Alle E-Mails waren geschäftsmäßig: Fragen und Antworten, verschickt und beantwortet von mir selbst auf savagearts.co.uk. Die Website hatte ich persönlich eingerichtet.
    Und nie eine E-Mail von Tommy, mit einem Haufen Gangster im cc, in der stand,
Überfall steigt um 23.15 h, Bank of England, Threadneedle Street, EC1.   Pünktlich oder gar nicht   … TK.
Selten so gelacht.
    Natürlich hatte ich mittlerweile nicht nur den Computer,sondern so ziemlich jedes Zimmer im Hause Kelly verwanzt und mich inzwischen daran gewöhnt, dass praktisch alles, was ich selbst sagte oder tat, von jemandem mitgehört wurde. Seltsam, wie sehr man sich an so etwas gewöhnen konnte. Ich hatte freie Hand bei allem, was Tommy mir auftrug, aber für den Zuhörer musste es nervtötend sein. Nie sagte Tommy etwas Kompromittierendes. Klar, er unterhielt sich mit mir über die Bilder, seine Leidenschaft, aber abgesehen davon redete er nie über irgendwas anderes als Essen, Autos, die Hunde und die Familie. Mit Ausnahme von Jason.
    Über den Kampf hatte Tommy mir gegenüber nie ein Wort verloren. Jason hatte er überhaupt nicht mehr erwähnt. Tatsächlich schien sich Jason Kelly in den letzten Monaten ziemlich rargemacht zu haben. Ich hatte keine Ahnung, was er trieb, und nachfragen wollte ich lieber nicht.
    Ab und zu wachte ich nachts auf, schweißnass vor Verfolgungswahn und voller Panik, dass Tommy einen der Peilsender entdeckt oder Cheryl die Wanze in ihrem Staubsauger gefunden haben könnte, aber bis jetzt war noch nichts dergleichen passiert. Bis zu einem gewissen Grad glaubte ich, dass Tommy sich über solche Dinge auch keine großen Gedanken machte. Er war zu Hause unendlich diskret. Nie fiel ein Wort, mit dem man ihn hätte festnageln können.
    Er schien wirklich unantastbar zu sein.
    Tommy war schon vor mir nach Kroatien aufgebrochen: Er war mit British Airways nach Dubrovnik geflogen. Er wollte noch das Boot abholen und ein paar Kontakte knüpfen, hatte er erklärt.
    Ich war ein paar Tage später nachgekommen, mit EasyJetnach Split. Der Frühmorgenflug war praktisch eine reine Charterveranstaltung für Touristen und ich sollte als Kunststudent unterwegs sein, weshalb ich mich in zerschlissene Röhrenjeans und abgelatschte Turnschuhe geworfen hatte. Ich trug ein ausgewaschenes Holzfällerhemd und fühlte mich wie ein Penner. Auf den Kurt-Cobain-Look stand ich nicht im Mindesten. Ich hatte mich an deutlich schickere Klamotten gewöhnt. Unter dem Arm trug ich eine Mappe mit Aktzeichnungen und Bildern auf Leinwand. Für das ungeübte Auge sah das Zeug aus wie ein Haufen Scheiße. In einer Papprolle hatte ich einen Francis Bacon, eingerollt in ein anderes, abstraktes Gemälde: noch ein Haufen Scheiße für das ungeübte Auge. Als ich zum Schalter ging, würdigte niemand die Bilder eines zweiten Blicks. Ich gab alles auf, zusammen mit meiner Reisetasche.
    In Split hatte ich einen kurzen Panikanfall, als nur meine Tasche aus der Gepäckausgabe kam, aber die Mappe und die Rolle tauchten kurz darauf auf dem Förderband auf. Wenig später spazierte ich direkt durch die Zollabfertigung, ohne dass auch nur irgendwer mit der Wimper gezuckt hätte. Vor dem Flughafen wurde ich von einem wartenden Minivan aufgelesen, der mich die paar Kilometer bis zum Hafen von Trogir brachte.
    Die Stadt selbst sah aus wie aus einem Disneyfilm. Überall gab es Burgen und Gebäude mit Fahnen, die von kleinen Türmchen flatterten. Der Hafen lag jenseits einer Kopfsteinpflasterbrücke und auf einer Insel, die das Zentrum von Trogir bildete. Er war gerammelt voll mit Charterjachten und Motorkreuzern, deren Crews sich schon auf die Sommersaison vorbereiteten.
    Tommys Boot zu finden war kein Kunststück. Eine Sunseeker Predator 92, ein fast dreißig Meter langer Pfeil aus weißer Glasfaser, Stahl und Teakholz. Eine echte Wahnsinnsmaschine, die an ihrer eigenen Liegestelle

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