Lords of Salem: Roman (German Edition)
Auch wenn ich Angst habe, dass du mir was erzählst, das ich gar nicht hören will.«
» Wovor hast du solche Angst?«, fragte Heidi.
Verdammt, sie ging ihm echt auf den Sack. Sie hatte nicht vor, ihm einfach reinen Wein einzuschenken. Sie zwang ihn, es auszusprechen. » Wovor ich Angst habe? Vor den alten Junkie-Geschichten, Schätzchen.«
Erst rührte sich in ihren Augen nichts, anscheinend dauerte es, bis seine Worte bei ihr ankamen, doch dann flammte plötzlich Wut darin auf. Sie hat noch Kampfgeist in sich, dachte Herman und kam nicht umhin, das als gutes Zeichen zu werten.
» Fick dich ins Knie!«, sagte sie. » Ich habe dir doch gesagt, dass ich die Scheiße nicht mehr mache.« Sie zog die Ärmel hoch und zeigte ihm ihre Unterarme. » Siehst du irgendwelche frischen Einstiche?«, fragte sie. » Willst du auch unter meinen Zehen- und Fingernägeln nachsehen? Reicht das nicht? Willst du mich testen? Du kannst mir beim Pissen zusehen, damit du sicher bist, dass ich nicht irgendwo Urin gebunkert habe.«
Er trat einen Schritt zurück. Wow. » Okay«, sagte er. » Vielleicht bin ich ein Arschloch. Aber du musst es mir einfach erklären. Du schuldest es mir. Was zum Teufel ist mit dir los?«
Hinter ihnen schwang die Tür auf. Sie drehten sich beide um und rechneten damit, dass Cerina hereinkäme, weil sie als einzige andere Frau in dieser Schicht arbeitete, aber es war Whitey. Er trat ein, blieb jedoch zögernd an der Tür stehen.
» Was?«, sagte Heidi zu ihm. » Du auch? Oder ist das hier der neue Pausenraum, und ich habe die Memo nicht bekommen?«
Whitey sagte nichts. » Ihm schuldest du es auch«, sagte Herman. » Komm schon, ohne uns wärst du den Job schon lange los.« Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie leicht, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. » Komm schon. Schieß los.«
Heidi stieß seine Hände weg, wandte sich ab und schlang die Arme um den Oberkörper. » Ich habe keine Ahnung, was los ist«, sagte sie langsam. » Ich wünschte, ich wüsste es. Aber ich kann es nicht erklären.«
» Versuch’s«, ermunterte Herman sie.
Sie schwieg einen Augenblick. Herman stand einfach mit verschränkten Armen da und wartete. Whitey wartete ebenfalls still.
» Also«, sagte sie schließlich. » Ich verstehe es nicht. Es hat vor ein paar Tagen angefangen. Ich habe diese Albträume bekommen, aber keine normalen Albträume, sondern, keine Ahnung, als würde ich schlafwandeln. Sie fühlen sich überhaupt nicht wie Träume an. Sie fühlen sich echt an. Letzte Nacht bin ich in der leeren Wohnung am anderen Ende des Flurs aufgewacht. Ich weiß nicht, wie ich da hingekommen bin. Das Problem ist … ich habe nur bruchstückhafte Erinnerungen, krankes Zeug, das keinen Sinn ergibt, aber es war fast wie ein Blackout.«
Wenn sie lügt , dachte Herman, dann ist sie eine begnadete Schauspielerin. Vielleicht sagte sie die Wahrheit. Vielleicht hatte sie doch nicht wieder mit dem Scheiß angefangen.
» Hast du getrunken?«, fragte er.
» Ja, ein bisschen«, gab Heidi zu. » Aber ich kriege nie einen Blackout vom Trinken, Herman. Das weißt du doch.«
» Ja«, räumte Herman widerwillig ein. » Das weiß ich.«
Hinter ihm meldete sich Whitey mit leiser Stimme. » Klingt für mich wie Nachtangst«, sagte er.
» Ja?«, sagte Heidi. » Glaubst du?«
» Was ist das?«, fragte Herman und wandte sich zu Whitey.
Whitey räusperte sich. » Nachtangst …«, sagte er. » Das ist wie ein Albtraum, aus dem man nicht richtig aufwachen kann. Als Kind hatte ich einen Freund, der das hatte. Ich erinnere mich, dass ich einmal an seinem Geburtstag bei ihm übernachtet habe und er schweißgebadet und schreiend im Garten aufgewacht ist. Ich meine, er schien wach zu sein, aber er hat noch geschlafen oder zumindest halb geschlafen. Er hat nur geschrien und auf etwas eingeschlagen, das kein anderer sehen konnte. Und am nächsten Morgen konnte er sich an nichts mehr erinnern.«
» Vielleicht ist es das«, sagte Heidi. » Aber ich hatte das früher nie. Warum sollte es jetzt anfangen?«
Whitey zuckte die Achseln.
» Vielleicht sollte ich mal zum Arzt gehen«, meinte Heidi.
» Ich glaube, du solltest auf jeden Fall zum Arzt gehen«, sagte Herman.
Heidi verzog ein wenig verärgert das Gesicht. » Okay. Ich hab’s kapiert.«
» Und sonst nichts?«, fragte Herman.
» Was meinst du?«, sagte sie. » Außer dass ich es kapiert habe?«
Herman schüttelte den Kopf. » Nein. Außer dem Wein. Du nimmst sonst nichts, was dir
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