Lords of Salem: Roman (German Edition)
Luft mehr zu bekommen. Sie lächelte schief. Vielleicht hatte sie einen Lungenflügel durchbohrt.
Sie stand auf, kam hinter dem Sessel hervor und ging auf ihn zu.
» Virginia?«, keuchte er. » Was zum Teufel?«
In seinen Augen spiegelte sich Angst. Er streckte ihr die Hand entgegen, und sie ließ das Messer nach vorn schießen und hackte ihm zwei Finger an den Knöcheln ab. Er schrie erneut, drehte sich weg und kratzte an der Wand, als wollte er auf der Flucht vor ihr hindurchkriechen, und sie trennte ihm mit einem weiteren Hieb ein Ohr ab und versetzte ihm eine Schnittwunde an der Schulter.
» Stück für Stück«, sagte sie mit erstickter Stimme, die sie kaum als ihre eigene erkannte – es war fast so, als spräche jemand anderes aus ihr. » Genau wie du es mit meinem Leben gemacht hast!« Und als er sich umdrehte und sie entsetzt ansah, schnitt sie ihm die Wange auf und den Großteil der Nase ab.
Das Messer war scharf, deshalb war es leicht, kleine Stücke abzutrennen. Nach einer Weile kniete er vor ihr und bettelte um Gnade. Sie grinste und versuchte, seine Hand abzuschneiden, doch es gelang ihr nicht, und er griff ständig nach dem Messer, deshalb stieß sie es ihm schließlich tief in den Hals. Er gab ein gurgelndes Geräusch von sich, schaffte es, auf die Beine zu kommen, und taumelte in die Küche. Dort blieb er einen Moment stehen, ehe er auf den Bauch fiel und das Linoleum mit Blut bespritzte. Schon wieder , dachte sie, richtet er eine Sauerei an und erwartet von mir, dass ich sie aufwische.
Nachdem er ein paar Minuten auf dem Boden gelegen hatte, hörte er auf, sich zu bewegen. Nun war es viel einfacher, die Hand abzuschneiden.
Sie setzte sich auf seine Beine, band seine Schuhe auf und zog sie ihm aus. Verdammt, wie konnte man nur so schlampig sein. Er trug nicht einmal zusammengehörige Socken. Sie zog sie ihm ebenfalls aus und trennte, mit dem kleinsten beginnend, seine Zehen ab. Sie sammelte sie in einem kleinen Haufen neben seinem Mund.
Am Schluss sah sie genauso aus, wie sie im Spiegel ausgesehen hatte, als wären das Messer und die Hand, die es hielt, in Blut getaucht und der Rest ihres Körpers damit bespritzt worden. Sie kehrte zur Spüle zurück und betrachtete ihr Spiegelbild. Vergeblich wartete sie darauf, dass es mit ihr sprach. Nun waren sie wieder eins.
Sie lächelte. In ihrem ganzen Leben hatte sie sich noch nicht besser gefühlt.
Das Einzige, was sie vermisste, war der Song von den Lords. Sie lief durch die Küche, bis sie ihr Handy fand. Wie lautete doch gleich die Nummer des Senders? Sie würde dort anrufen und sie anflehen, es noch einmal zu spielen. Und wenn sie es nicht täten, tja, dann würden sie bald merken, dass sie eine Frau war, die man besser ernst nahm. Verdammt, sie würde ihnen mit ihrem großen Messer einen Besuch abstatten und sie zwingen , es zu spielen.
38
H eidi lag auf dem Boden, als Herman die Tür aufstieß, und der Geruch von Erbrochenem hing in der Luft. Sie hatte es bis in die Kabine geschafft, aber nicht bis zur Toilette, und die Wandfliesen vollgekotzt. Verdammt, sie war übel dran. Er wollte sie nicht vor den Kopf stoßen, aber irgendjemand musste es tun.
Doch er ließ sie noch einen Moment in Ruhe. Sie lag einfach dort mit dem Kopf auf den kalten Fliesen. Und dann, als das Stück von den Lords aus den Lautsprechern im Bad endlich ausklang, stöhnte sie. Kurz darauf zog sie sich auf die Beine, während sie mit einer Hand ihren Kopf hielt, schwankte zum Waschbecken, drehte den Hahn auf und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
Erst dann bemerkte sie Herman.
Er rechnete mit einem blöden Spruch, irgendeinem Witz, um die Situation zu retten und ihn davon zu überzeugen, dass es ihr nicht so schlecht ging, wie es aussah. Aber offenbar hatte sie diesen Punkt schon überschritten, und ihr war nicht mehr nach Scherzen zumute. Vielleicht war es noch schlimmer, als er gedacht hatte.
» Was ist?«, fragte sie mit leblosem Blick und ausdrucksloser Stimme, als wäre ihr alles scheißegal.
Es machte ihn wütend. » Was ist?«, sagte er. » Willst du irgendwelche Spielchen spielen? Was zum Teufel ist los? Und ich will keine beschissenen Ausreden mehr hören, von wegen Schlafmangel oder Lebensmittelvergiftung oder Reisekrankheit oder so. Ich will die verdammte Wahrheit wissen.«
Heidi seufzte, noch immer mit leblosen Augen. » Was willst du hören?«
» Zur Abwechslung mal keinen Schwachsinn«, sagte Herman. » Die bittere Wahrheit, vom Anfang bis zum Ende.
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