Lords und Ladies
untergeordneter Bedeutung. Weitaus
mehr Aufmerksamkeit schenkte er der Veränderung im Summen der
Bienen und dem Knacken von splitterndem Holz.
Ein Bienenstock war umgekippt worden. Zornige Bienen umschwirr-
ten drei Gestalten, deren Füße Waben und Brut zertrampelten.
Das Gelächter verstummte, als der in Weiß gekleidete und mit einem
Schleier ausgestattete Imker an der Hecke erschien. Er hob ein langes
Metallrohr.
Niemand wußte, womit Herr Brooks seinen Spritzer lud. Das Zeug
enthielt alten Tabak, aufgekochte Wurzeln, Baumrinde und Kräuter, die
nicht einmal Magrat kannte. Glänzende Flüssigkeit zischte über die Hek-
ke hinweg, traf den mittleren Elf zwischen den Augen und spritzte auch
auf die anderen beiden.
Unbewegt beobachtete der Imker, wie die Gestalten zuckten. Nach ei-
ner Weile rührten sie sich nicht mehr.
»Wespen«, sagte er.
Er holte eine Schachtel, entzündete eine Laterne und achtete nicht auf
die Stiche, als er damit begann, den Bienenstock zu reparieren.
Shawn hatte kaum mehr Gefühl im Arm, abgesehen von dem dumpfen
Schmerz, der auf mindestens einen gebrochenen Knochen hindeutete.
Darüber hinaus wußte er, daß zwei seiner Finger normalerweise anders
aussahen. Er schwitzte, obgleich er nur Unterwäsche trug. Er hätte das
Kettenhemd nicht ausziehen dürfen, aber man kann schlecht »nein« sa-
gen, wenn man von einem elfischen Bogenschützen bedroht wird.
Shawn wußte, was glücklicherweise vielen anderen Leuten unbekannt
blieb: Kettenhemden bieten keinen nennenswerten Schutz vor Pfeilen.
Erst recht nicht, wenn der Pfeil zwischen die Augen zielt.
Man hatte ihn durch Korridore und Flure zum Arsenal geführt. Minde-
stens vier Elfen hielten sich hier auf, aber es fiel schwer, ihre Gesichter
zu erkennen. Shawn erinnerte sich an das Spektakel des reisenden Ma-
giers Lampendorn. Damals hatte er überaus fasziniert beobachtet, wie
verschiedene Bilder auf eins von Nanny Oggs Bettlaken projiziert wor-
den waren. Mit den Elfengesichtern verhielt es sich ähnlich. Irgendwo
darin befanden sich Augen und ein Mund, aber alles andere schien nur
vorübergehenden Bestand zu haben – die Züge der Elfenmienen verän-
derten sich ständig.
Sie redeten nicht viel, doch dafür lachten sie häufig. Elfen waren fröh-
lich, besonders dann, wenn sie feststellten, wie weit sie einem den Arm
auf den Rücken drehen konnten.
Die Elfen berieten sich in ihrer Sprache, und dann wandte sich einer an
Shawn, deutete dabei zur Tür des Arsenals.
»Wir möchten, daß die Frau herauskommt«, meinte er. »Sag ihr folgen-
des: Wenn sie das Zimmer nicht verläßt, spielen wir noch ein wenig wil-
der mit dir.«
»Was macht ihr mit uns, wenn sie drin bleibt?« erkundigte sich Shawn.
»Oh, dann spielen wir ebenfal s mit dir«, antwortete der Elf. »Deshalb
ist ja alles so lustig. Aber sie soll hoffen, nicht wahr. Sag es ihr jetzt.«
Man schob ihn zur Tür. Er klopfte an, auf eine Weise, die er für re-
spektvol hielt.
»Ähm. Fräulein Königin?«
»Ja?« erklang Magrats gedämpfte Stimme.
»Ich bin’s, Shawn.«
»Ich weiß.«
»Stehe hier im Flur. Ähm. Ich glaube, die Elfen haben Fräulein Tockley
verletzt. Äh. Sie wol en mir auch noch etwas weh tun, wenn du drin
bleibst. Aber du brauchst nicht herauszukommen, denn die Elfen kön-
nen nicht zu dir hinein, wegen des Eisens. Also würde ich an deiner Stel-
le gar nicht auf sie hören.«
Er rasselte und klapperte. Kurz darauf ertönte ein leises Twoing.
»Fräulein Magrat?«
»Frag die hübsche Dame, ob sie da drin zu essen und zu trinken hat«,
sagte ein Elf.
»Fräulein Königin, ich sol dich…«
Einer der Elfen zerrte ihn grob beiseite. Zwei warteten zu beiden Sei-
ten der Tür, und ein dritter lauschte daran.
Nach einigen Sekunden ging er in die Hocke, um durchs Schlüsselloch
zu blicken. Er achtete jedoch peinlich darauf, das Metall des Schlosses
nicht zu berühren.
Ein Geräusch erklang, nicht lauter als ein Klicken. Der Elf verharrte
zunächst reglos, dann kippte er nach hinten und fiel zu Boden.
Shawn blinzelte.
Das Ende eines Armbrustbolzens ragte aus dem Auge des Elfen. Die
Federn fehlten – sie waren während des kurzen Flugs durchs Türschloß
abgerissen.
»Donnerwetter!« entfuhr es Shawn.
Die Pforte des Arsenals ging langsam auf, und dahinter kam… Dun-
kelheit zum Vorschein.
Einer der Elfen begann zu lachen.
»Er hat’s nicht besser verdient«, sagte er. »Wie dumm von ihm…
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