Lords und Ladies
Seite zu wälzen. Die Axt ließ Steinplatten splittern.
»Fräulein?« brachte Shawn hervor, als Magrat erneut ausholte.
»Ja?«
»Meine Mama hat gesagt, Elfen spüren keinen Schmerz.«
»Nein? Aber ich nehme an, manche Dinge sind ihnen trotzdem unan-
genehm.«
Magrat ließ die Axt sinken.
»Zum Beispiel Metal «, sagte sie. »Wir könnten diesen Burschen in eine
der Rüstungen da drin stecken. Na, wie wär’s damit?«
»Nein!«
Der Elf versuchte fortzukriechen.
»Warum nicht?« meinte Magrat. »Ist doch besser als Axthiebe, oder?«
»Nein!«
»Warum nicht?«
»Es fühlt sich an, als sei man in der Erde vergraben«, ächzte der Elf.
»Keine Augen, keine Ohren, kein Mund!«
»Na schön. Dann hül en wir dich in ein Kettenhemd«, schlug Magrat
vor.
»Nein!«
»Wo ist der König? Wo sind al e anderen?«
»Ich werde nichts sagen.«
»Wie du willst.«
Magrat betrat das Arsenal und kehrte mit einem langen Kettenhemd
zurück.
Der Elf verdoppelte seine Bemühungen, fortzukrabbeln.
»Du schaffst es nie, ihm das Hemd überzustreifen«, sagte Shawn, der
ebenfal s auf den Steinplatten lag. »Die Arme sind im Weg.«
Magrat griff nach der Axt.
»O nein«, stieß Shawn hastig hervor. »Fräulein Königin!«
»Du bekommst ihn nie zurück«, sagte der Elf. »Den König, meine ich.
Sie hat ihn.«
»Warten wir’s ab«, erwiderte Magrat. »Nun gut, Shawn. Was fangen wir
mit ihm an?«
Sie brachten ihn in einem Lagerraum unweit des Kerkers unter und
ketteten ihn dort an die Gitterstangen des Fensters. Beim Kontakt mit
dem Eisen wimmerte er. Magrat warf die Tür zu.
Shawn hielt einen respektvollen Abstand zu Magrat, vor al em deshalb,
weil sie so seltsam lächelte.
»Und jetzt sehen wir uns deinen Arm an«, sagte sie.
»Mit mir ist soweit alles in Ordnung«, behauptete Shawn. »Diamanda in
der Küche geht es weitaus schlechter.«
»War sie es, die so geschrien hat?«
»Äh. Zum Teil. Ähm.« Shawn betrachtete die toten Elfen fasziniert,
während Magrat achtlos an ihnen vorbeiging.
»Du hast sie getötet«, stellte er fest.
»War das falsch?«
»Ähm, nein«, entgegnete Shawn vorsichtig. »Du bist dabei, äh, ziemlich
tüchtig gewesen.«
»In der Grube ist noch einer«, fügte Magrat hinzu. »Du weißt schon –
in der Grube. Welcher Tag ist heute?«
»Dienstag.«
»Und du reinigst die Grube immer am…?«
»Mittwoch. Al erdings bin ich am vergangenen Mittwoch nicht dazu
gekommen, weil…«
»Dann brauchen wir uns vermutlich um den nicht mehr zu kümmern.
Gibt es hier noch mehr?«
»Ich… glaube nicht. Äh. Fräulein Königin?«
»Ja, Shawn?«
»Könntest du viel eicht die Axt herunternehmen? Ich würde mich viel
besser fühlen, wenn du die Axt herunternähmst. Die Axt, Fräulein Köni-
gin. Du schwingst sie dauernd hin und her. Die Schneide könnte sich
jeden Augenblick vom Stiel lösen.«
»Welche Axt?«
»Ich meine jene, die du in der Hand hältst.«
»Oh, diese Axt.« Magrat schien sie jetzt zum erstenmal zu bemerken.
»Der Arm sieht nicht besonders gut aus. Gehen wir in die Küche, damit
ich ihn dort schienen kann. Und die Finger auch. Haben die Elfen Dia-
manda umgebracht?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, warum sie das Mädchen ge-
quält haben. Ich meine, es hat ihnen doch geholfen.«
»Ja. Warte einen Moment.« Magrat verschwand abermals im Arsenal
und holte einen Sack. »Komm, Greebo.«
Der Kater warf ihr einen argwöhnischen Blick zu und putzte sich nicht
mehr.
»Weißt du, was an Lancre komisch ist?« fragte Magrat, als sie über die
Treppe nach unten schlichen.
»Nein, Fräulein.«
»Wir werfen nie etwas weg. Und weißt du noch etwas?«
»Nein, Fräulein.«
»Das Bild konnte gar nicht zu ihren Lebzeiten angefertigt worden sein.
Ich meine, damals vergeudete niemand Zeit damit, irgendwelche Porträts
zu malen. Aber die Rüstung… Ha! Man brauchte nur ihre Rüstung zu
betrachten, um einen Eindruck von ihr zu gewinnen. Und weißt du
was?«
Furcht erwachte in Shawn. Natürlich geschah es nicht zum erstenmal,
daß er sich fürchtete, aber bisher waren solche Empfindungen unmittel-
bar gewesen und hatten sich auf eine konkrete, physische Gefahr bezo-
gen. Doch Magrat auf diese Weise zu erleben… Das jagte ihm viel mehr
Angst ein als die Elfen. Er fühlte sich wie jemand, der von einem Schaf
angegriffen wurde.
»Nein, Fräulein?« erwiderte er.
»Niemand hat mir etwas über sie erzählt. Ich dachte, es ginge nur
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