Lords und Ladies
Knistern. BANG-bomm…
Fensterläden knallten zu. Erschrockene Familienmitglieder beobachte-
ten, wie Väter Wasser ins Feuer schütteten und Säcke in den Kamin
stopften…
Nanny Ogg lebte allein, weil sie die Ansicht vertrat, daß alte Leute
Würde, Stolz und Unabhängigkeit benötigten. Außerdem: Jason wohnte
nebenan. Er oder seine Frau, Wiehießsienoch, konnten leicht geweckt
werden; es genügte, mit dem Stiefel ordentlich an die Wand zu treten.
Shawn wohnte auf der anderen Seite und hatte auf Nannys Bitte hin
einen Bindfaden mit mehreren Blechbüchsen verbunden: Auf diese Wei-
se konnte ihm die Mutter sofort Bescheid geben, wenn sie ihn brauchte.
Natürlich wurde dieses speziel e Alarmsystem nur im Notfal verwendet
– wenn Nanny eine Tasse Tee wol te oder sich langweilte.
Bong. Verflixt! Bumm-boing…
Nanny Ogg hatte kein Badezimmer, verfügte jedoch über eine Bade-
wanne aus Blech. Normalerweise hing das Ding an einem Haken im
Abort, doch jetzt schickte sie sich an, es ins Haus zu ziehen. Es hatte
bereits die Hälfte des Gartens durchquert, nachdem es von diversen
Bäumen, Mauern und Gartenzwergen abgeprallt war.
Drei große schwarze Kessel dampften auf dem Feuer. Daneben lagen
bereit: sechs Handtücher; ein Badeschwamm; ein Bimsstein; die Seife;
noch ein Stück Seife für den Fal , daß das erste verlorenging; die Schöpf-
kel e, um Spinnen herauszufischen; eine Gummiente, die sich schnel mit
Wasser füllte und dann nicht mehr quiekte, sondern grunzte; eine Nagel-
feile, die an einen Meißel erinnerte; eine große Bürste; eine kleine Bürste; eine noch etwas kleinere Bürste für schwierige Stel en; das Banjo; das
Ding mit den Röhren und Zapfen, von dem niemand wußte, wozu es
diente; und eine Flasche mit dem Badeelixier Klatschianische Nächte – ein Tropfen davon genügte, um selbst in hartem Lack Risse entstehen zu
lassen.
Bong-boing-bumm…
Al e Einwohner von Lancre hatten gelernt, Nannys präsanitäre Aktivi-
täten als solche zu erkennen. Wer in dieser Hinsicht an Begriffsstutzig-
keit litt, bekam später allen Anlaß, das bitter zu bereuen.
»Aber es ist doch gar nicht April!« wunderten sich die Nachbarn, wäh-
rend sie die Vorhänge zuzogen.
In einem weiter oben am Hügelhang gelegenen Haus griff Frau Skindel
nach dem Arm ihres Mannes.
»Die Ziege ist noch draußen!«
»Bist du verrückt? Ich kann jetzt nicht mehr raus!«
»Du weißt doch, was beim letztenmal passiert ist! Drei Tage lang blieb
das arme Tier einseitig gelähmt, und wir konnten es nicht vom Dach
runterholen!«
Herr Skindel öffnete vorsichtig die Tür und sah hinaus. Es war still
geworden – viel zu still.
»Wahrscheinlich fül t sie die Wanne gerade mit Wasser«, spekulierte er.
»Du hast noch ein oder zwei Minuten Zeit«, sagte Frau Skindel. »Wenn
du jetzt nicht gehst, müssen wir wochenlang Joghurt trinken.«
Der Mann nahm ein Halfter von der Wand neben der Tür, trat vol er
Unbehagen nach draußen und schlich zur Ziege, die an der Hecke fest-
gebunden war. Sie hatte ebenfal s gelernt, die Zeichen des bevorstehen-
den Baderituals zu deuten und stand wie erstarrt vor Schreck da.
Es hatte keinen Sinn, an der Leine zu zerren. Herr Skindel traf eine ra-
sche Entscheidung und hob das Tier hoch.
Es plätscherte laut, und dann ertönte mehrfaches Pochen, hervorgeru-
fen von einem Bimsstein, der an die Seite einer aus Blech bestehenden
Badewanne stieß.
Herr Skindel lief los.
Ein Klimpern war zu hören – die Saiten eines Banjos wurden ge-
stimmt.
Die Welt hielt den Atem an.
Und dann ging’s los, wie ein Tornado, der über die Prärie hinwegfegte.
»Dääääääääääähhs…«
Drei Blumentöpfe neben der Tür platzten nacheinander. Schrapnel ar-
tige Splitter sausten an Herrn Skindels Ohr vorbei.
»… Zauuuuberers Staaab haaat eineeen Knaaauuuf am Eeendeee…«
Er warf die Ziege ins Haus und sprang hinterher. Seine Frau hielt sich
bereit und schlug die Tür hinter ihm zu.
Die ganze Familie – auch die Ziege – duckte sich unter den Tisch.
Es lag nicht etwa daran, daß Nanny Ogg schlecht sang. Aber wenn die
von ihren Stimmbändern verursachten Töne durch eine zur Hälfte mit
Wasser gefül te Blechwanne verstärkt wurden, so ergab sich etwas, das
übers Akustische hinausging – es war schiere Unerträglichkeit.
Viele Sänger konnten mit hohen Tönen Gläser zerspringen lassen,
doch Nannys hohes C pulverisierte Glas.
Die Moriskentänzer von Lancre
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