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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein verlockend beherrschter Earl
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Fall brauchte es nicht viel, um Lisle zu erzürnen. Und augenblicklich
kochte er Daphnes wegen in stiller Wut: Belder verspottete ihre harte
Arbeit. Aber sei’s drum, dachte Lisle, lange würde man diesen Idioten nicht
mehr gewähren lassen. Schließlich befand man sich nicht bei Almack’s oder auf
einem Ball, und das gelehrte Publikum dürfte ein solches Verhalten kaum dulden.
    Kaum hatte
Lisle es gedacht, meldete sich auch schon einer der Zuhörer zu Wort. »Sir«,
sagte der Gentleman kühl, »vielleicht könnten Sie sich Ihre geistreichen
Ergüsse für ein geneigteres Publikum aufsparen. Ich würde Ihren Club
vorschlagen. Oder das Kaffeehaus. Oder besser noch eine Bierschenke. Wir sind
gekommen, um dem Herrn am Rednerpult zuzuhören, nicht Ihnen.«
    Lisle tat,
als schnippe er ein Stäubchen von seinem Manuskript und sagte, ohne aufzusehen:
»Geistreiche Ergüsse? Sie müssen schon entschuldigen, Lord Belder, der Geist
war mir entgangen. Ich hatte Sie für einen Heiligen gehalten.«
    »Einen
Heiligen?«, rief Belder mit einem ungläubigen Lachen, was Olivia vermutlich
zeigen sollte, wie wenig es ihn kratzte, einem rüpelhaften Schuljungen gleich
getadelt zu werden.
    »Aber ja«,
sagte Lisle. »Es ist nämlich so, dass in Ägypten jene, die schwer von Begriff
oder geringem Verstand sind, als Heilige gelten und man all ihre
Absonderlichkeiten und Unzulänglichkeiten als Zeichen göttlicher Gunst
erachtet.«
    Das
Publikum brüllte vor Lachen. Als die gelehrten Herren sich wieder ein wenig
gefasst hatten, machten sie Belder zur Zielscheibe ihres Spotts. Er tat ihnen
den Gefallen, bis zu den Haarwurzeln zu erröten.
    Nachdem er
Belder diese redlich verdiente Lektion erteilt hatte, konnte Lisle Daphnes
Vortrag in Ruhe zu Ende bringen.
    Nachdem
auch alle Fragen beantwortet waren und das Publikum sich langsam zerstreute,
drängte er sich zwischen den Männern hindurch, die sich um Olivia geschart
hatten – wie argloses Federvieh, das sich auf einem schlafenden Krokodil
niedergelassen hatte, wenn man ihn fragte –, und erbot sich, sie nach Hause zu
bringen. Sie wandte sich von Belder ab und bedachte Lisle mit einem so strahlenden
Lächeln, dass er einen Augenblick lang kaum geradeaus schauen konnte. Dann nahm
sie seinen Arm. Bailey, ihre Dienerin, dicht auf den Fersen, gingen sie zur
Kutsche. Der Lakai hatte gerade den Tritt herabgelassen und Olivia schon einen
Fuß gehoben, als ein Junge über das Trottoir geradewegs auf sie zugerannt kam.
Er rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her, und wich geschickt den gelehrten
Gentlemen aus, die angeregt über Pharaonen plaudernd die Strand hinab
spazierten.
    Auch Lisle
wich er aus, doch dann machte er den fatalen Fehler, in Olivias Richtung zu
schauen, und schon geriet er von ihrer Schönheit geblendet aus dem Tritt. Wie
in Trance lief er weiter.
    Just in
diesem Augenblick eilte Lord Belder zu Olivias Kutsche. Der Junge stolperte
geradewegs in ihn hinein und brachte sie beide zu Fall. Der Junge landete auf
dem Trottoir, Lord Belder in der Gosse.
    Im Nu war
der Junge wieder auf den Beinen, warf einen entsetzten Blick auf Belder und
suchte das Weite.
    »Haltet den
Dieb!«, brüllte der. Zwei seiner Freunde schnappten sich den Jungen, als er an
ihnen vorbeiflitzen wollte.
    Seine
Lordschaft erhob sich aus der Gosse. Bekannte, die des Weges kamen, bedachten
ihn mit den üblichen geistreichen Bemerkungen. »Gerade aufgewacht, Belder?«
oder »Ein kleines Bad genommen, Belder?« und so fort.
    Braune und
schwarze Flecken unerfreulichen Ursprungs bedeckten seine helle Hose und den
blauen Rock, die kunstvoll gebundene Krawatte, Weste und Handschuhe. Er
betrachtete seine besudelten Kleider, dann den Jungen. Der wand sich unter
seinem Blick und schrie: »Das war ein Unfall, Euer Ehrwürden! Ich hab nix
getan!«
    »Das
stimmt«, erhob Olivias Stimme sich über den Lärm. »Ich habe mit angesehen, was
vorgefallen ist. Hätte er etwas gestohlen, würde er ...«
    »Warte doch
in der Kutsche und lass mich die Sache regeln«, unterbrach sie Lisle, ehe sie
in aller Ausführlichkeit darlegen konnte, wie man einen Taschendiebstahl nach
allen Regeln der Kunst ausführte. Olivia war sehr vielseitig begabt.
    »Unsinn«,
erwiderte sie. »Das regele ich selbst.«
    Er
versuchte, sie zurückzuhalten, doch sie schüttelte seine Hand ab und
marschierte geradewegs zu den Männern, die den Jungen festhielten.
    »Lassen Sie
ihn los«, sagte sie. »Es war nur ein Unfall .«
    Für Lisle
waren die Warnzeichen

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