Loretta Chase
sein
sonnengebleichtes Haar wie einen Heiligenschein erstrahlen. Als ob seine
engelsgleichen Züge dessen noch bedurft hätten!
Um nicht in
Versuchung zu geraten, ihm durchs zerzaustes Haar zu fahren, ließ sie den Blick
etwas tiefer schweifen und starrte auf die Bauchbinde seines Morgenmantels,
doch das ließ sie nur daran denken, wie straff sein Bauch sich angefühlt hatte,
als sie ihre Arme um ihn geschlungen hatte. Es war schrecklich. Sie wusste
kaum, wohin mit ihrem Blick!
»Du hättest nachdenken sollen«, sagte er.
»Als ob dir das recht gewesen wäre«, erwiderte sie. »Dir wäre es am liebsten, ich
hätte still abgewartet, bis ein Mann des Weges gekommen und mir das Denken
abgenommen hätte.«
»Selbst ich
weiß mittlerweile, dass man stilles Abwarten von dir nicht erwarten kann«,
sagte er. »Doch ich hätte gedacht, selbst du wüsstest mittlerweile, dass
man sich aus ehelichen Streitigkeiten heraushält. Lautet nicht so eine von
Rathbournes Regeln? Hättest du mal auf deinen Stiefvater gehört.«
Seine
nackten Füße waren keinen halben Schritt von den ihren entfernt. Es war kaum
auszuhalten! »Meines Wissens hat er auch eine Regel, die besagt, dass man sich
nicht mit Damen streiten soll.«
»Gut, dass du
mich daran erinnerst«, meinte er. »Du warst schon immer auf geradezu
gemeingefährliche Weise impulsiv. Es ist töricht, sich mit dir zu streiten –
noch dazu zu nachtschlafender Stunde auf einem zugigen Korridor.«
»Du hast
doch deinen kuscheligen Morgenmantel«, sagte sie. »Und mir ist nicht kalt.«
Sein Blick senkte sich auf ihre Brüste. Sie seufzte still, wusste sie doch ganz
genau, was er da sah.
»Mancherorts
scheint dir schon kalt zu sein«, meinte er süffisant. »Aber jede Wette, dass du
selbst das Offensichtliche abstreiten würdest. Nun gut. Ich gehe wieder
schlafen.« Rasch drehte er sich um und marschierte zurück zu seinem Zimmer.
Einen Moment stand sie sprachlos da und schaute ihm nach.
Immer ging
er einfach davon ... oder ritt davon ... oder segelte davon – fort zu seinen
Abenteuern, zu seiner Geliebten, nach Ägypten. Und kam gerade mal lang genug
zurück, um alles gehörig durcheinanderzubringen. Es war immer das Gleiche: Eine
Zeitlang hätte sie ihren Freund und Verbündeten wieder, doch dann würde er wieder
fortgehen und sie nur umso rastloser und unzufriedener zurücklassen.
Sehnsüchtig würde sie auf seine Briefe warten, um zumindest ein bisschen an
seinem Leben teilzuhaben, und er ... Wenn sie ihm nicht beständig schriebe,
würde er sie längst vergessen haben.
Sie ballte
die Hände zu Fäusten und setzte ihm nach.
Lisle schloss die Tür seines Zimmers
hinter sich, ließ sich dagegensinken und schloss die Augen.
Grundgütiger. Grundgütiger! Olivia, halbnackt.
Und so
stand sie an der Tür eines Gastzimmers, wo alle Welt sie sehen konnte!
Zumindest Elspeths Ehemann dürfte hübsch was zu schauen gehabt haben: Olivias
Brüste, die sich unter ihrer armseligen Ausrede eines Nachthemds munter gereckt
hatten.
Lisles
Männlichkeit reckte sich auch ganz munter – und das, obwohl sie doch längst der
Vergeblichkeit dieser Mühe hätte belehrt sein müssen.
»Geh runter
und hol mir ein Glas Brandy«, sagte er zu Nichols. »Oder nein, besser gleich
eine ganze Flasche. Am liebsten drei Flaschen.«
»Ich könnte
Ihnen eine Würzmilch bereiten, Sir«, erbot sich Nichols. »Sehr beruhigend nach
all der Aufregung.«
»Ich will
mich nicht beruhigen«, sagte Lisle. »Ich will vergessen. Verfluchte Frauen.«
»Gewiss, Sir.«
Der
Kammerdiener entfernte sich nach unten.
Kaum hatte
sich die Tür hinter ihm geschlossen, ging schon wieder das Geklopfe los.
»Verschwinde«, sagte Lisle. »Wer immer du bist.«
»Ich werde
nicht verschwinden. Wie kannst du es wagen, mich einfach so stehen zu lassen?
Wie kannst du es wagen, mich zu maßregeln und mich herumzukommandieren und ...«
Mit einem
tiefen Seufzer machte er die Tür auf.
Da stand
sie, nicht minder unangemessen gekleidet als zuvor, den Arm erhoben, um noch
einmal zu klopfen.
»Geh zurück
auf dein Zimmer«, sagte er. »Was ist eigentlich los mit dir?«
»Du«,
schnaubte sie. » Du bist los. Jahrelang lässt du dich nicht blicken, dann
schaust du mal kurz vorbei und verschwindest wieder.« Ihre Worte unterstrich
sie mit weit ausholenden Gesten, die den feinen Musselin über ihren Brüsten
strafften. »Es steht dir überhaupt nicht zu, dich in meine Angelegenheiten zu
mischen oder mich herumzukommandieren. Wie du ja
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