Loretta Chase
davon war sie je gewesen. Auch nicht
furchtsam oder schüchtern oder zimperlich. Oder überhaupt irgendetwas, das
Frauen gemeinhin waren.
Und schon
stürmte es wieder auf ihn ein, flutete seinen Verstand und sein Blut: ihre
rasch zu entflammende Leidenschaft, ihre samtweiche Haut, ihr Duft, ihr
Geschmack, ihre noch immer ungewohnten Rundungen – und schon pulsierte das
Verlangen durch seine Adern, dass ihm schwindelte.
Sie war
eine Naturgewalt, unbezähmbar, unwiderstehlich.
Was zum
Teufel sollte er nur tun?
Auf sie war
in dieser Hinsicht kein Verlass, und auch sich konnte er, so schien es, nicht
trauen. Man sehe sich nur an, was er getan hatte, nur wenige Stunden nachdem
sie übereingekommen waren, dass derlei nie wieder geschehen dürfe. Weder
will ich dein Leben ruinieren, noch willst du das meine ruinieren .
»Apropos
romantisch«, meinte er.
»Wenn du
dich jetzt für das entschuldigst, was auf dem Dach geschehen ist, drehe ich dir
den Hals um«, sagte sie.
»Wären wir
nicht unterbrochen worden ...«
»Ja, ich
weiß.« Sie runzelte die Stirn. »Ich werde darüber nachdenken. Gewiss werde ich
eine Lösung finden. Aber nicht jetzt. Es war ein langer Tag.«
Ein Tag so
lang wie ein Leben, dachte er.
Sein Leben.
Es veränderte sich, unwiderruflich, unaufhaltsam. Es hatte in dem Augenblick
angefangen sich zu verändern, da seine Lippen die ihren berührt hatten ...
oder nein, noch eher. Von dem Moment an, da er sie an jenem Abend im Ballsaal
gesehen hatte.
»Auf jeden
Fall ereignisreich«, fand er.
»Aber im
Grunde ...« Wieder runzelte sie die Stirn. »Folgendes fällt mir ein: Wir
brauchen unbedingt einen neuen Butler. Es ist ziemlich klar, dass Edwards, wo
immer er stecken mag, nicht zurückkommt. Ebenso dringend sollten wir uns um
schottische Dienstboten bemühen. Unsere Londoner Dienerschaft gehört nicht nach
Gorewood. Es gefällt ihnen hier nicht, sie kommen nicht zurecht, sie passen
einfach nicht hierher. Irgendjemand will uns bei unserer Arbeit Steine in den
Weg legen – so viel ist auch klar. Wir müssen der Sache auf den Grund gehen.
Außerdem brauchen wir verlässliche Stallburschen, Leute, die sich Gorewood
verbunden fühlen.«
Obwohl es
ein langer Tag gewesen war, hielten sein Unbehagen und seine Wut auf sich
selbst ihn hellwach. Er hätte stark bleiben müssen, doch er war schwach
geworden. Er war ihr nachgestiegen, hatte die Sterne in ihren Augen funkeln
sehen und genau das getan, was nie wieder zu tun er sich geschworen hatte.
Doch konnte
er nicht so einfach abtun, was sie eben gesagt hatte. Fakten , sie hatte
die Fakten dargelegt. Sie hatte ihre Lage so klar umrissen, wie er es auch
getan hätte, wäre er nicht so von Gefühlen verblödet.
»Du hast
recht«, sagte er.
Mit großen
Augen sah sie ihn an. »Wirklich?«
»Wir haben
tatsächlich ein Problem, und zwar nicht nur eines«, sagte er. »Wir sind hier,
um die Burg instand zu setzen. Wir sind hier, um die Vorkommnisse auf Gorewood
zu klären. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Wenn wir das tun ...«
»...
bleibt uns keine Zeit, uns danebenzubenehmen«, schloss sie belustigt.
»Müßiggang
ist aller Laster Anfang«, sagte er.
»Es war mir
noch nie aufgefallen, dass ich dazu müßiggehen muss«, meinte sie lachend und
trat beiseite. »Nun, dann haben wir ja einen Plan. Den wir gleich morgen
angehen können.« Sie wünschte ihm gute Nacht und verschwand in den Südflügel.
Olivia
wahrte ihre heitere Miene, bis sie die Tür hinter sich geschlossen und ein paar
Stufen die Treppe hinaufgegangen war.
Dann blieb
sie stehen und hielt sich die Stirn.
Was sollten
sie nur tun?
Verlangen
war ein fuchtbar Ding – so gar nicht das, was sie sich immer vorgestellt hatte.
Es war schier unerträglich . Dort zu stehen, ihn anzusehen und dabei nur
eines zu wollen: ihn zu berühren und von ihm berührt zu werden.
Was
geschehen war, auf dem Dach, dieses wundersam wunderbare Gefühl ... Sie wusste,
was das war. Immerhin hatte sie Urgroßmamas faszinierende Sammlung erotischer
Literatur von vorn bis hinten durchgelesen und verstand durchaus, sich selbst
zu beglücken.
Aber das
war ja überhaupt kein Vergleich.
Denk an
etwas anderes, hielt sie sich an. Und so dachte sie an Butler und wie sie einem
abhandenkamen und man wie durch eine göttliche Fügung einen neuen fand. Sie
dachte an Gespenster, die gar keine Gespenster waren. Während sie die Stufen zu
ihrem Zimmer hinaufstieg, listete sie alles auf, was in Gorewood angegangen
werden
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