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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein verlockend beherrschter Earl
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Herdentrieb.
    Allerdings
fiel ihm auf, dass sie sich nicht wie zuvor diskret unter der Empore versammelt
hatten – dort, wo einst der Dienstbotengang gewesen war –, sondern dem anderen
Ende des Saals, namentlich dem Kamin, entgegenstrebten, wo die Herrschaft saß.
    Wie kaum
anders zu erwarten, hatten die meisten nicht die geringste Ahnung, was
eigentlich geschehen war. Sobald sie die ersten Schreie vernommen hatten, waren
sie in Panik geraten und davongelaufen.
    Bei der
Befragung hatte es Olivias Hilfe und viel Geduld bedurft. Schließlich hatte er
zumindest herausgefunden, dass Lady Cooper zuerst geschrien haben sollte.
Woraufhin alle anderen in das Geschrei eingestimmt hatten, ohne überhaupt zu
wissen, weshalb sie schrien.
    Nun gerade
stritten sich die Damen Cooper und Withcote, was sie eigentlich gesehen hatten.
    »Ein
Gespenst«, sagte Lady Cooper im Brustton der Überzeugung. »Ganz deutlich habe
ich es gesehen, als wäre es helllichter Tag gewesen. Dort oben.« Mit ihrem Glas
in der Hand deutete sie ans andere Ende des Saals. »Auf der Empore.«
    Alle
drehten die Köpfe und starrten dort hinauf. Es gab nichts zu sehen. Dunkel lag
die Empore da.
    »Wie sah es
denn aus?«, fragte Lisle. »Das Gespenst.«
    »Wie ein
Gespenst eben«, sagte Lady Cooper. »Weiß und schemenhaft. Durchscheinend. Wie
Nebel. So ist es über die Empore gehuscht.«
    Einige der
Dienstboten erschauderten.
    »So ein
Unsinn«, befand Lady Withcote. »Ich weiß schon, wie das war. Du bist
eingeschlafen, wie so oft, und hast alles nur geträumt.«
    »Ich weiß
doch wohl noch, wann ich schlafe und wann ich wach bin«, entrüstete sich Lady
Cooper. »Ich habe das nicht geträumt!«
    »Da war
nichts«, sagte Lady Withcote in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Lady
Cooper funkelte ihre Freundin an. »Doch, da war was«, sagte sie. »Ein Gespenst.
Die Dienstboten haben es auch gesehen. Was weiß ich, wie lange es sich da
herumgetrieben hat. Vielleicht war es ja schon eine ganze Weile da und hat uns
beobachtet.«
    Abermaliges
Erschaudern.
    »Als ich
vorhin dort hinaufgeschaut habe«, fuhr Lady Cooper mit Blick auf die Empore
fort, »war es zumindest da. Ich habe geschrien. Was hätte ich auch tun sollen?
Man kennt derlei Geschichten ja, aber noch nie – wirklich noch nie – habe ich
mit meinen eigenen Augen ein leibhaftiges Gespenst gesehen.«
    »Also
wirklich, Agatha, ein Gespenst kann ja wohl kaum leibhaftig sein. Was
für einen Unsinn du redest.«
    »Du hast
auch geschrien, Millicent.«
    »Weil du
mich zu Tode erschreckt hast. Ich dachte, eine Horde blutrünstiger Schotten sei
im Anzug, um uns zu meucheln. Und dann bist du auf einmal aufgesprungen und aus
der Halle hinaus in die Nacht gelaufen, und die halbe Dienerschar ist dir
panisch hinterhergerannt. Was sollte ich denn da denken? Dass dein Unterrock Feuer
gefangen hätte?«
    Lisle warf
Olivia einen verstohlenen Blick zu.
    Oder
vielmehr warf er der Stelle einen verstohlenen Blick zu, wo Olivia eben noch
gewesen war. Sie war nämlich verschwunden.
    Nun selbst
ganz panisch, sah er sich um. Trotz der dutzendfach entzündeten Kerzen,
lauerten dunkle Schatten in den Ecken. Für einen Eindringling wäre es ein
Leichtes gewesen, inmitten des allgemeinen Aufruhrs unbemerkt mit den
Dienstboten hereinzuhuschen. Geradezu lächerlich einfach, sich lautlos
anzupirschen und Olivia flugs so zu ...
    Aber nein.
Was dachte er da nur? Wer Olivia zu entführen versuchte dürfte sich auf etwas
gefasst machen.
    Kaum hatte
er sich so weit wieder zur Räson gebracht, schien am nördlichen Ende des Saals
ein Licht aus dem Dunkel auf.
    Oliva stand
auf der Empore, in der Hand einen Kerzenleuchter. Alle Blicke wandten sich ihr
zu.
    Niemand
hatte ein solches Talent für dramatische Auftritte.
    Außer
vielleicht seine Eltern.
    »Was immer
auch hier gewesen sein mag«, rief sie von oben herunter, »nun ist es nicht mehr
hier.«
    Sie schritt
zur Mitte der Empore, blieb vor dem hohen Fensterbogen stehen und stellte den
Leuchter auf dem Gesims ab. In flackerndes Kerzenlicht getaucht, strahlte ihr
Haar rotgolden, und sie stand da wie eine Königin: erhobenen Hauptes und mit
gestrafften Schultern – absolut furchtlos . Ein fantasiebegabter Mann
mochte sich bei diesem Anblick vielleicht vorstellen, wie eine seiner Ahninnen
einst eine solche Pose eingenommen hatte, als sie ihre Vasallen einschwor,
Gorewood mit Leib und Leben zu verteidigen.
    »Hier ist
nichts«, verkündete Olivia abermals. »Keine nebelschweifenden

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