Lost Land, Der Aufbruch
geht. Wie der Atem in den Lungen.«
»Ich verstehe nichts von Liebe.«
»Natürlich tust du das«, protestierte der Greenman. »Tom hat mir von Annie erzählt und von George. Ich bin George einmal begegnet, vor langer, langer Zeit, als er auf der Suche nach dir war. Er war ein guter Mann, ein aufrichtiger Mensch. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja.« Tränen schimmerten in Lilahs Augenwinkeln.
»Er hat dich geliebt, und ich glaube â nein, ich weiÃ, dass du ihn auch geliebt hast. Genauso wie du Annie geliebt hast. Doch, du weiÃt sehr wohl, was Liebe ist, Lilah.«
Darauf sagte sie nichts.
»Oder meinst du eine andere Art Liebe?«, fragte er undzog dabei eine Augenbraue hoch. »Liebe zwischen Jungen und Mädchen? Gibt es jemanden, den du liebst? Jemanden, der dich liebt?«
Sie schüttelte den Kopf und zuckte dann die Achseln. »Es gibt da einen Jungen. Er heiÃt Lou Chong.«
»Der Freund von Benny Imura? Von ihm hat Tom mir auch erzählt. Ein kluger Junge.«
»Er kann auch ganz schön dumm sein!«, platzte sie heraus, beherrschte sich dann aber und schüttelte wieder den Kopf. »In der Stadt ⦠ist Chong klug. Er weià eine Menge über Wissenschaft, Bücher, Sterne, Geschichte und so weiter. Ich kann mit ihm reden. Wir haben uns nachts auf seiner Veranda unterhalten. Jede Nacht, nachdem ich bei ihnen eingezogen war. Sieben Monate lang. Wir haben über alles geredet.«
»Das klingt nach einem netten Jungen.«
»Das ist er auch ⦠aber hier drauÃen ⦠ist er nicht klug.« Sie warf die Pinzette auf den Tisch. Die Katze knurrte mürrisch, stand auf, drehte sich um und legte sich wieder hin.
»Erzähl mir davon«, forderte der Greenman sie auf, nahm die Pinzette und reichte sie ihr erneut. Es dauerte lange, bis sie sie ergriff.
Lilah erzählte ihm alles, was passiert war, seit sie mit Tom und den anderen die Stadt verlassen hatte. Als sie geendet hatte, waren alle Blütenblätter abgezupft und schwammen im Wasser.
»Wenn Chong dich liebt ⦠liebst du ihn denn auch?«
»Ich weià es nicht!«, fauchte sie, sagte dann aber sanfter: »Ich weià nicht, wie.«
Der Greenman lachte in sich hinein. »Du bist nicht der erste Mensch, der so empfindet, aber vermutlich der erste, der es zugibt. Also ⦠was hat das damit zu tun, dass du von Benny und Nix weggerannt bist? Atme tief durch. Denk darüber nach und antworte erst, wenn es sich richtig anfühlt.«
Sie holte mehrmals tief Luft und erklärte dann: »Benny hat immer wieder gesagt, Chong wäre meinetwegen abgehauen. Dass ich ihn mit dem, was ich zu ihm gesagt habe, dazu gebracht hätte.«
»Was hast du denn zu ihm gesagt?«
»Unterwegs auf der StraÃe ⦠da habe ich zu Chong gesagt â¦Â« Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich habe ihm gesagt, er sei ein dummer Stadtjunge und er sollte nicht hier drauÃen sein. Ich wollte, dass er nach Hause geht. Und das hab ich ihm auch gesagt. Als Benny dann meinte, es sei meine Schuld ⦠da ⦠da wusste ich plötzlich nicht mehr, wie ich meinen Speer benutzen sollte. Oder meine Waffe. Meine Hände konnten nicht mehr denken.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich rede Unsinn.«
»Nein, tust du nicht.«
»Ich bin schuld, dass Chong abgehauen ist.«
Der Greenman stützte sich auf die Ellbogen und schaute Lilah mit einem wohlwollenden Lächeln an. »Ein weiser Mann hat einmal gesagt, dass wir niemanden dazu bringen können, etwas zu fühlen oder zu tun. Wir können gute Ratschläge vorbringen, aber jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er reagiert und wo er stehen will, wenn es darauf ankommt. Verstehst du, was ich meine?«
Lilah schüttelte den Kopf.
»Es geht um Verantwortung. Chong fühlt sich verantwortlich für das, was passiert ist. Deine Worte haben ihn nicht gezwungen, abzuhauen.«
»Ich wünschte, ich könnte ⦠sie ungesagt machen.«
»Ja, das glaube ich dir. Aber es geht um Chong. Es war seine Entscheidung zu gehen. Er hätte bleiben können, ganz egal, was du gesagt hast. Und du hättest ebenfalls bleiben können, trotz Bennys Vorwürfen. Es entschuldigt nicht, dass harte Worte gefallen sind, aber keiner ist deshalb im Unrecht, weder du noch Benny. Das müsst ihr mit euch selbst ausmachen. Chong hat
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