Lost Princesses 01 - Der Lord Und Die Rebellin
damit sagen?«
»Dass Ihr auf mich den Eindruck einer Frau gemacht habt, die gern früh und gutgelaunt aufsteht. Wie ich sehe, habe ich mich geirrt.«
»Ich bin vollkommen fröhlich!« Sie benahm sich vollkommen lächerlich, und sie wusste es. Aber er reizte sie wie Blaize eine Pferdebremse unter dem Sattel.
Hepburn betrachtete sie mit gespielter Anteilnahme. »Habt Ihr etwa das Frühstück ausgelassen? Es ist nicht gesund, mit leerem Magen auszureiten.«
Seine Sorge musste gespielt sein. Wenn sie echt war, wäre das noch schlimmer.
»Ich habe das Frühstück nicht ausgelassen.« Sie presste jedes Wort zwischen den Zähnen heraus.
»Dann habt Ihr keine Ausrede für Eure Laune. Also los, reiten wir.« Er ritt im langsamen Galopp von den Ställen hinaus in die Wildnis seines Besitzes, wo felsige Klippen und grasbewachsene Täler sich hoben und senkten.
Wie schon am vorigen Tag lockte Clarice auch diesmal die Straße. Sie könnte nach Freya Crags reiten, Amy aufsammeln und der Ortschaft den Rücken kehren. Sie hatte viel Gold mit ihren Cremes verdient. Sie konnten nach Edinburgh gehen und dort einen weiteren Winter überleben.
Einen weiteren Winter, in dem sie nicht nach Beaumontagne heimkehren konnten. Doch... es wäre ein Winter, wo sie furchtsam über die Schulter blicken und Richter Fairfoot aus England fürchten würde. Und dann auch noch Lord Hepburn, der Rache üben würde, weil sie vor seinen Forderungen geflohen war.
War sie ein Feigling?
Eigentlich hielt sich Clarice nicht für feige. Amy nannte sie manchmal tollkühn. Aber Hepburn flößte ihr Furcht ein, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Sie hatte Angst vor ihm, weil er tatsächlich den Wahnsinn seines Planes nicht zu begreifen schien. Und ihr bangte vor ihm, weil er sie umarmt hatte, als hätte er sein Herz und seine Seele in die Wonne seines Kusses gelegt. Und weil es ganz so aussah, als hätte sie ihm bei diesem Kuss ihr Herz und ihre Seele geschenkt.
Clarice redete sich streng ein, dass die reine Neugier sie zu ihm hinzog. Bestimmt keine Furcht. Schon gar keine Vorfreude. Und ganz gewiss kein Verlangen nach einem Mann, der vielleicht verrückt, sicherlich jedoch unerträglich arrogant war.
Sie trieb Blaize neben Hepburns Helios. »Was ist mit diesem Mann passiert?«
»Welchem Mann?«
»Den Ihr gestern Nacht verfolgt habt!«
Hepburn ritt langsamer. »Er ist entkommen.«
»Dass muss Euch ja mächtig ärgern, dass jemand durch Euer Netz geschlüpft ist.«
Langsam drehte Hepburn den Kopf zu ihr um und sah ihr tief in die Augen. »Ja, das tut es.«
Sie musste unwillkürlich die Zügel gestrafft haben, denn Blaize tänzelte zur Seite. Rasch beruhigte sie ihn wieder.
Hatte Hepburn ihr gerade gedroht? Sie schluckte. Natürlich hatte er das. Letzte Nacht hatte er es mit Verführung versucht. Also würde er sie heute einschüchtern.
Zu seinem Pech ließ sie sich nicht so leicht einschüchtern. Er war nur ein Earl. Sie jedoch war eine Prinzessin, und sie tat gut daran, sich daran zu erinnern und sich entsprechend zu verhalten.
Großmutter hatte sie davor gewarnt, dass Vertraulichkeit rasch Verachtung gebiert. Und hier hatte Clarice den Beweis dafür vor Augen. Aber Großmutter hatte auch mit ihrem ganzen Leben vorgeführt, wie man einer solchen Anmaßung Einhalt gebot.
Clarice schwenkte mit einem Mal ihre kecke Kappe und ritt voraus. Sie vertraute darauf, dass ihre Haltung, ihre Reitkunst und ihre Ausstrahlung ihn zurechtwiesen, gleichzeitig jedoch ahnte sie, dass nichts die grenzenlose Arroganz dieses Mannes unterhöhlen konnte.
Sie ließen die Stallungen hinter sich, und bald verschwand auch das Herrenhaus außer Sicht, und sie sahen nur noch die wilden Raubvögel kreisen. Der blaue Himmel erstreckte sich über den Horizont, von Hügelkamm zu Berggipfel, das Gras wehte sacht im Wind, und die wilden Rosensträucher blühten weiß und rosa. Dieses Land war so ganz anders als ihre Heimat in den Pyrenäen, sanfter und weit weniger bergig,
und dennoch sangen die Felsen und der Wind von einer Wildheit, die ihre Seele berührte.
Und ebendiese Wildheit erkannte sie in Hepburn wieder.
Dieser gemeine Hepburn, der ihr nicht einmal einen unbeschwerten Morgen gönnte. Als der Weg breiter wurde und sich schließlich in den Wiesen verlor, holte Hepburn sie ein. »Was tragt Ihr für eine hochmütige Miene zur Schau, Hoheit. Habe ich Euch irgendwie beleidigt?«
Beleidigt? Er beleidigte sie mit jedem Atemzug. »Gestern Nacht habt Ihr Forderungen
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