Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
geboren ist. Ich denke auch immer, ich möchte das Kind nicht haben, aber wenn ich es dann zum erstenmal sehe, ist es mir, als ob ich einen Blick in den Himmel tue. Du sagtest mir doch früher, du hättest ein Kind gehabt, das gestorben wäre.«
»Ja, Madame.«
»Dann wird dich dieses Kind für alles entschädigen. Und wenn unsere Kinder von gleichem Geschlecht sein sollten, gebe ich das deine dem meinen zur persönlichen Bedienung. Dann kann es im Hause bleiben und mit meinem Kind aufwachsen. Noch eins: sage Mr. Philip nicht, daß ich wieder in anderen Umständen bin. Er soll es erst erfahren, wenn er all die schwere Arbeit hinter sich hat und das neue Feld bestellt ist.«
»Sehr wohl, Miß Judith.«
»Bring mir noch ein Licht und geh dann zu Bett. Du siehst wirklich nicht besonders gut aus.«
Nachdem Angelique sich entfernt hatte, stand Judith noch vor dem Spiegel und spielte mit den Kämmen und den Parfümflaschen auf der Kommode. Hätte sie das doch nur früher gewußt! Sicher hatte sie Angelique zuviel arbeiten lassen. Die Dienerin hatte in letzter Zeit ein sonderbares Wesen gezeigt. Vielleicht mußte man sie jetzt bis nach der Geburt mit jeder Arbeit verschonen.
Als Philip sich zum Essen angekleidet hatte, hielt sie ihn in ihrem Zimmer zurück, um ihn zu fragen, was er darüber dächte.
»Ich sorge mich um Angelique«, sagte sie.
Philip zog die in Falten gelegten Manschetten an seinem Handgelenk zurecht. »Sage doch den Mädchen, daß sie meine Wäsche nicht zu sehr stärken sollen, ja? Aber was meintest du eben?«
»Ich sagte, daß ich mich um Angelique sorge.«
Er drehte sich um: »Angelique? Warum?«
»Nun, nach all diesen Jahren bekommt sie jetzt ein Kind. Sie hat kein Wort darüber gesagt, bis ich es heute nachmittag selbst merkte und sie danach fragte. Sie sieht recht schlecht aus, und sie will mir nichts Näheres darüber mitteilen – und sie benimmt sich so merkwürdig –«
»Was, Angelique bekommt ein Kind? Weißt du das bestimmt?« Philip trat einen Schritt vor, so daß das Licht der Kerze voll auf sein Gesicht fiel. Die lange Narbe auf seiner Wange glich einem weißen Strich, der sich quer durch sein Gesicht zog, und in seinen Augen spiegelte sich die Kerzenflamme in zwei feurigen Punkten, als er sie scharf ansah.
»Selbstverständlich. Aber was –«
Philip hatte sich umgedreht und war aus dem Zimmer geeilt. Er schloß die Tür so heftig, daß sie nicht zuschnappte, sondern angelehnt blieb.
Judith erhob sich langsam und klammerte sich an den Bettpfosten. Einen Augenblick war es ihr, als ob die Flamme immer größer würde, bis sie nichts anderes mehr sehen konnte als den Lichtschein und Philips Gesicht mit der weißen Narbe, die früher nie abstoßend auf sie gewirkt hatte. Aber Philip stand nicht mehr dort; sie konnte hören, daß er den Gang hinuntereilte. Dann verklang auch dieses Geräusch. Sie ballte die Fäuste und preßte sie gegen die Schläfen, als ob sie dadurch das furchtbare Hämmern in ihrem Kopf zur Ruhe bringen könnte.
»Ach, Philip!« rief sie laut. »Philip!«
Langsam setzte Judith sich wieder auf die Kante des Bettes, Ihre Hände sanken in den Schoß, und sie beobachtete die Schatten der Kerzenflamme an der Wand. Aber sie hatte nicht mehr die Kraft, sich aufrechtzuerhalten und sank mit dem Gesicht in die Kissen, während wilder Schmerz sie durchzitterte. Vor Monaten schon war das geschehen, was sie eben entdeckt hatte! Darüber kam sie nicht hinweg. Und nun trug sie auch ein Kind von Philip unter dem Herzen, weil sie ihm vertraut hatte.
Seit wann mochte das Verhältnis zwischen den beiden wohl bestehen? Sicherlich seit Monaten, vielleicht seit Jahren. Das Vertrauen, das sie in die beiden setzte, hatte sie blind gemacht. Zweimal am Tag kleidete Angelique sie an und zog sie abends aus, und Philip saß dabei und beobachtete sie, während alle drei sich über das Haus, die Ernten und die Kinder unterhielten. Und während sie selbst sich lächelnd im Spiegel betrachtete, tauschten die beiden heimlich über ihren Kopf hinweg Blicke. Plötzlich wurde ihr alles klar, sie konnte sehen und verstehen, wie es gewesen war. Angelique kämmte ihr das Haar und drehte ihr die Locken im Nacken. »Mr. Philip hat es so gern, wenn Sie Rosen im Haar tragen, Miß Judith«, hatte die falsche Schwarze gesagt, während sie an Philips Küsse und Umarmungen dachte!
Judith hatte die Stirn auf den Ellbogen gelegt. Plötzlich riß sie mit einer heftigen Bewegung die Topaskette ab. Ein
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