Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Glied brach, und sie schleuderte das Schmuckstück in die nächste Ecke, wo es leise klirrend zu Boden fiel. Wieder sah sie das Bild vor sich, wie das Flachboot durch die Strömung gestoßen wurde, wie die Sonne auf die blühenden Orangenbäume niederstrahlte. Und sie sah sich selbst, die in ihrem Leben noch niemals Juwelen besessen hatte. »Hast du das auch ehrlich erworben?« hatte sie ihn gefragt. Nein, er hatte es nicht auf ehrenhafte Weise bekommen. Nichts von allem, was er ihr gegeben oder geschenkt hatte, war ehrlich erarbeitet. Mit der Beute des Seeräuberschiffes hatte er die Pflanzung auf Ardeith gegründet, und nun hatte er sie selbst mit seiner Liebe betrogen! Dieses ungeborene Kind war eine dauernde Erinnerung daran, daß sie seinen Lügen geglaubt hatte, und das Bewußtsein, daß es in ihr lebte, machte sie plötzlich krank und elend. Sie fühlte eine entsetzliche Übelkeit. Matt lag sie auf dem Lager, und ein Kälteschauer überlief sie.
Als es an der Tür klopfte, schrak sie auf. Es klopfte wieder, dann hörte sie Christines Stimme.
»Miß Judith, das Essen stehen auf Tisch.«
»Ich komme nicht zum Abendessen«, erwiderte Judith. »Geh fort!«
Wie seltsam ihre Stimme klang, hart und metallisch, als ob ein Schlüssel gegen einen Messingleuchter stieße. Sie überlegte, ob Christine darum wüßte. Vielleicht war Angelique auch nicht die einzige! Angelique war zwar die Schönste von allen, aber nicht die einzige hübsche Frau im Haus, die von einem Weißen und einer Mestize abstammte. Vielleicht wußten alle darum und lachten heimlich über Judiths kindliche Unschuld. Vielleicht hatten sie auch Mitleid mit ihr. Verstohlen redeten die Dienstboten in der Küche und in ihren Wohnungen darüber. »Arme Miß Judith«, würden sie sagen. »Möchte nur wissen, ob sie jemals erfahren, wie Mr. Philips es treiben.«
»Halte verdammte schwarze Maul«, mochte eine andere entgegnen. »Du wissen doch, was bekommen, wenn du zuviel schwätzen.«
Nein, die Dienstboten würden es ihr nicht sagen. Sie waren Philips Sklaven, und sie wußten nur zu gut, welche Strafe die Schwarzen zu gewärtigen hatten, wenn sie den Unmut ihres Herrn erregten. Er konnte ihr dies antun, weil er ihr Schutz in seinem Hause gegeben hatte. Das machte sie hilflos. Sie hatte kein eigenes Vermögen, ihr gehörte weder ein Sklave noch ein Pfund Indigo. Heftig biß sie in ihren Arm, um nicht laut aufzuschreien.
Sie hatte die Tür nicht verschlossen. Die Klinke wurde heruntergedrückt, und Philip trat ein.
Judith richtete sich wieder auf und stützte sich auf beide Hände, als sie ihn anschaute.
Einen Augenblick blieb er an der Schwelle stehen dann kam er zum Bett und legte die Hand auf ihre Schulter.
»Judith, ich schäme mich so entsetzlich. Wenn du wüßtest, wie leid es mir tut!«
Sie antwortete nicht und schaute nur in sein schönes Gesicht mit den Lachfältchen in den Augenwinkeln und der Narbe über der Wange. Sie sah den Leinenkragen und das Jabot in seiner gelben Seidenweste, den langen, blauen Rock, die dunklen Reithosen, die schöngeformten Waden, und sie wunderte sich. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, daß sie einen Menschen so schrecklich hassen könnte, wie sie ihn jetzt haßte Sie haßte seine männliche Schönheit und die Kraft seiner Hand, mit der er ihre Schulter hielt, seine feingeschnittenen Züge und all die Einzelheiten seiner Gestalt, die sie so sehr geliebt hatte und die ihn für andere Frauen ebenso unwiderstehlich machte wie für sie selbst.
»Was soll ich tun, Judith?« fragte er schließlich.
»Nimm deine Hand von mir weg und laß mich in Ruhe.«
Er gab sie frei.
Sie stand auf und ging zu der Kommode hinüber, die in der anderen Ecke des Zimmers stand. Die Kerze war heruntergebrannt, und das Wachs bildete eine unförmige Masse. Sie drückte einen Finger hinein, als sie ihn fragte: »Weißt du auch, was du mir angetan hast, Philip?«
»Ja.«
»Nein, du weißt es nicht«, erwiderte sie leise. Sie schaute immer noch auf die zerfließende Kerze. »Du verstehst es nicht, und du wirst es auch niemals begreifen. Das liegt nicht an dir.«
Sie war erstaunt über den ruhigen Ton ihrer Stimme. Sonst geriet sie doch so leicht in Zorn – über die unwichtigsten Dinge! Sie ging zur Tür und legte die Hand auf die Klinke.
Er folgte ihr, faßte sie mit beiden Händen an den Schultern und drehte sie um, so daß sie ihn ansehen mußte.
»Du gehst noch nicht.«
»Doch. Ich bleibe nicht hier, um mit dir zu
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