Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
sie so plötzlich und unvorbereitet überfallen, daß sie sich gänzlich in fremdem Terrain fühlte und fast etwas wie Neugier empfand, ähnlich einem Reisenden, der mit Spannung einem ihm noch unbekannten Ort entgegensieht. Isabels Badezimmer war, wie sie selber gesagt hatte, noch unbequem und altmodisch; die Wanne stand ziemlich hoch auf vier Klauenfüßen, und die offensichtlich überlasteten Rohre stöhnten bei der Anstrengung, die von ihnen verlangt wurde. Aber Isabel Valcour zog es offenbar vor, ihr unzureichendes Einkommen für Kleidung und Coldcreames auszugeben, statt für die Modernisierung ihrer Wohnung, in der zu leben ein undankbares Schicksal von ihr forderte.
Eleanor trocknete sich an Isabels Handtüchern ab, bestreute ihren Körper mit Isabels Talkumpuder, zog Isabels Morgenrock und Pantöffelchen an und kämmte ihr nasses Haar mit einem silbernen Kamm, auf dem die Initialen I.S. in Fraktur eingraviert waren. Als sie schließlich aus dem Badezimmer herauskam, das Haar mit einem trockenen Badetuch reibend, schenkte Isabel die heiße Limonade in die Gläser.
»Das wird uns beiden guttun«, sagte sie, Eleanor ein Glas reichend. »Ich hoffe, daß Sie nicht krank werden.«
»Oh«, versetzte Eleanor, »da bin ich ziemlich sicher. Ich bin so leicht nicht umzubringen.«
Sie nahm das Getränk und setzte sich an den Kamin. Sie fühlte sich jetzt ganz wohl. Es war ihr, als mache ihre Anwesenheit im Valcourschen Hause Isabel auf eine sonderbare Weise verwundbar. Isabel und sie hatten, abgesehen von dem ersten Zusammentreffen bei dem Kauf-einen-Ballen- Ball, nie miteinander gesprochen. Jener Abend lag jetzt fünf Jahre zurück; Eleanor schien es, als seien tausend Jahre darüber vergangen. Seitdem hatte Isabel in ihrer Vorstellung die Maße eines normalen menschlichen Wesens, einer Frau aus Fleisch und Blut, verloren und war zu einem peinigenden und quälenden Gedanken erstarrt. Jetzt nun, da sie ihr leibhaftig gegenübersaß, sah sie, daß da nur eine schöne, eitle und müßige Frau war, die ihr heftig mißfiel.
Nun, wo zur gegenwärtigen Situation kaum noch etwas zu sagen war, schien Isabel unschlüssig, wie sie sich weiter verhalten solle. Sie saß, Eleanor gegenüber, gleichfalls am Kamin vor dem kleinen Tisch, auf den das Mädchen das Tablett gestellt hatte, und schlürfte an ihrem Glas. Eleanor begann die Unterhaltung schließlich selbst.
»Es war sehr freundlich von Ihnen, mich aufzulesen«, sagte sie.
Isabel lächelte leicht. »Ich konnte Sie doch nicht durchweichen lassen bei diesem Unwetter.«
»Hatten Sie mich erkannt?«
»Warum? Ja, natürlich.«
Es entstand eine Pause. Sie sahen einander an, und ihre Züge nahmen sehr bald den Ausdruck etwas abschätzigen Interesses an; die Maske der Höflichkeit fiel schnell. Eleanor sah, daß Isabel äußerst gut und gepflegt aussah, und sie stellte nicht ohne heimliche Bewunderung fest, daß sie ihre Gaben zu bewahren, zu pflegen und zu nützen verstand. Sie wußte offensichtlich, daß Schönheit eine Göttergabe war, wenn man zwanzig Jahre zählte, daß sie aber viel mehr bedeutete, wenn man dreißig war. Nichts an Isabels Erscheinung, weder ihr Gesicht noch ihre Figur oder ihre Hände zeigten die geringste Spur von Erschlaffung. Eleanor war ihres eigenen Körpers wegen noch nie in Verlegenheit gekommen; sie war hübsch in einer kühlen, repräsentativen Art, aber zwischen Isabel und ihr bestand ein Unterschied wie zwischen einem geschliffenen Diamanten und einer blühenden Blume. Isabel machte, fand Eleanor, einen zwar zweifellos anziehenden, aber gänzlich unnützen Eindruck. Sie verachtete sie, nicht, weil sie wußte, was sie wollte und auf dem besten Wege war, es zu erlangen, sondern weil sie in ihren Augen nichts als ein schöner und blendender Parasit war. Sie hatte nicht den Willen, aus eigener Kraft zu leben. Eleanor fragte sich vergebens, wie es nur geschehen konnte, daß Kester oder irgendein anderer Mann von so einem Geschöpf bezaubert würden.
Mit dem zornigen Entschluß, das Wesen Isabel ein für allemal zu erledigen, fragte Eleanor:
»Isabel, warum sagen Sie mir nicht klar und offen den Grund, weshalb Sie es so eingerichtet haben, daß ich hier bei Ihnen sitzen und warten muß?«
Isabels Stimme war glatt und hatte einen fragenden Unterton: »Warum glauben Sie, daß ich Sie aus einem bestimmten Grund hierhergebracht habe?«
»Sie hätten dem Chauffeur ohne weiteres sagen können, er solle mich nach Hause fahren. Es hätte ihn nicht
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