Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Geschäftsfrau zu sein, Mrs. Larne«, sagte er.
Eleanor blieb unverrückbar ernst. »Ich weiß nicht«, entgegnete sie, »ich hatte bisher nicht sehr viel Gelegenheit, das zu erproben. Aber«, fuhr sie mit etwas erhobener Stimme fort, »ich habe die Gewohnheit, zu beenden, was ich einmal begonnen habe.«
Der zweifelnde Direktor nickte langsam. »Haben wir uns früher schon einmal irgendwo getroffen, Madam?« fragte er. »Sie erinnern mich an irgend jemand, den ich kenne.«
»Sie werden meinen Vater kennen«, versetzte Eleanor, »Fred Upjohn.«
»Upjohn? Der Deichbau-Unternehmer? – Aber ja!« Der kühle Ausdruck im Gesicht des Direktors verschwand und machte einem gewinnenden Lächeln Platz. Er trommelte mit den Fingern auf der Schreibtischplatte. Einige der anderen Herren flüsterten miteinander, und Eleanor hatte den Eindruck, daß der Name Fred Upjohn bestimmte und keine negativen Vorstellungen in ihnen erweckte. Freilich, Upjohn hatte, wie sie wußte, mit der Südost-Wechselbank seit zwanzig Jahren geschäftlich zu tun gehabt. Der Herr, der zuerst mit ihr gesprochen hatte, räusperte sich. »Würde es möglich sein, daß Mr. Upjohn die Bürgschaft für die Ardeith-Hypotheken übernimmt?« fragte er.
»Nein«, sagte Eleanor fest, ohne einen Augenblick zu überlegen.
Stille trat ein. Eleanor und der Bankdirektor sahen sich an. Die etwas verkniffenen Augen des Mannes lagen unter schweren grauen Brauen; sein Gesicht war schmal und von harten, eckigen Linien. Eleanor brachte es nicht über sich, hier die innersten Beweggründe, die sie zu diesem ›Nein‹ geführt hatten, preiszugeben. Sie konnte ihnen nicht sagen, daß die Ardeith-Hypotheken eine Sache ihres persönlichen Stolzes waren, weil ihr Vater sie vor Kester gewarnt hatte und weil sich diese Warnung nun als gerechtfertigt erwiesen hatte. Daß sie lieber sterben würde, als zuzugeben, daß ihr Vater den Preis für die Durchsetzung ihres Willens bezahlte. Selber war sie bereit, alles zu geben, was man billigerweise von ihr fordern konnte. Und jäh stand vor ihrem sich klärenden Bewußtsein das Wissen, daß es hier auch um sie selbst, um ihre Selbstrechtfertigung ging und nicht nur um Kester und seine tiefinnere Verwurzelung mit Ardeith. Daß sie – das Opfer seiner Leichtfertigkeit – zu ihm stehen mußte, wenn sie sich nicht selbst aufgeben wollte. Mit heimlicher Verwunderung fragte sie sich, ob es wohl nur ihre eigene Bestimmung oder schlechthin Menschenlos sei, dort am meisten kämpfen zu müssen, wo man am tiefsten und innigsten liebte.
Laut sagte sie, in die wohl nur wenige Sekunden dauernde Stille hinein: »Mein Vater würde die Hypothekenschuld ohne Zweifel garantieren, wenn ich ihn darum bäte. Sollte ich sterben oder aus irgendeinem anderen Grunde in die Lage versetzt werden, meine hier übernommene persönliche Verpflichtung nicht einlösen zu können, würde mein Vater zweifellos, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, für diese Verpflichtung einstehen – und sei es mit Gefahr seines eigenen finanziellen Zusammenbruches.«
Der Direktor ließ kein Auge von ihr, und auch die anderen sahen sie an, als erwarteten sie, daß sie fortfahren möge. Sie sagte: »Ich glaube, daß meine Eltern, die mir alles mitgegeben haben, was sie konnten: eine glückliche Kindheit und eine gute Erziehung, ein Recht haben, von mir wenigstens einen anständigen Charakter zu erwarten. Die bloße Tatsache, daß mein Vater bereit ist, mir noch mehr zu geben und mir auch in dieser Situation durch Bereitstellung seines guten Namens zu helfen, macht es mir unmöglich, davon Gebrauch zu machen.« Und klar und nüchtern stellte sie die Frage: »Bekomme ich den Zahlungsaufschub?«
Er sagte, ebenso ruhig und sachlich: »Sie bekommen ihn, Mrs. Larne.«
Man legte ihr mehrere Dokumente zur Unterschrift vor und erklärte ihr, daß nach dem in Louisiana geltenden Bürgerrecht zukünftig Kesters Unterschrift bei jedem Geschäftsvorgang mit der ihren gekoppelt sein müßte.
Es war Januar 1914; die fälligen Zinsen waren in voller Höhe im November zahlbar. Eleanor faltete die Durchschläge der Verpflichtungserklärungen zusammen, steckte sie in einen Umschlag und nahm sie mit ins Hotel. Während sie ging, mußte sie unwillkürlich an die Männer denken, die in den Tagen der amerikanischen Kolonisation die Arbeit eines halben Lebens durch ihre Unterschrift verpfändeten, für die fragwürdige Chance, irgendwann einmal auf amerikanischem Boden als freie Männer die
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