Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
eigene Scholle bebauen zu können. Sie hatte sich soeben auf ähnliche Weise gebunden.
Fünftes Kapitel
I
N achdem sie wieder in Ardeith waren, hatten Kester und Eleanor die längste und offenste Aussprache miteinander, die sie bisher gehabt hatten. Er fühle sich stark beschämt, versicherte er ihr. Seit jenem Morgen, da er sie allein zur Bank gehen und den Kampf mit den Direktoren aufnehmen ließ, habe er mehr nachgedacht, als sie ahnen könne. Er sei bereit, seine bisherige Lebensführung aufzugeben, auf die bisher geübte Geselligkeit weitgehend zu verzichten und mit Nachdruck an die Arbeit zu gehen. Wolle er seine der Bank gegenüber eingegangene Verpflichtung einhalten, dann müsse er schwerer arbeiten, als er sich das jemals habe träumen lassen. Aber das ginge nun nicht anders; es müsse und es werde getan werden.
»Ich werde meinerseits auch nicht ruhen«, sagte Eleanor. »Ich sehe nicht ein, warum ich nicht lernen sollte, wie man Baumwolle pflanzt und behandelt. Freilich, der Hauptanteil an der Arbeit wird auf deinen Schultern liegen, du wirst festlegen und einteilen müssen, was zu tun ist, wirst auch mich einweisen und unterrichten müssen, aber ich werde dir gewiß manche Arbeit abnehmen können.«
Er stand in seiner gewohnheitsmäßigen Haltung am Kamin und zeigte ihr sein Gesicht, in dem ein kleines, skeptisches Lächeln stand. »Einverstanden, meine Liebe«, sagte er, »wenn –«; er machte eine eindrucksvolle Pause – »du bereit bist, dein Temperament ein wenig zu zügeln.«
»Ich verspreche es dir, Lieber«, sagte Eleanor, »ich werde nicht wieder mit dir schreien.«
»Ich erinnere nicht an deinen Fehler, um meine eigenen Fehler zu entschuldigen«, fuhr er fort, »aber, nimm es mir nicht übel: Ich habe nie zuvor eine sich selbst achtende Dame so schreien hören, wie du es zu tun pflegst, wenn dich etwas erregt. Was du zu sagen hast, ist meistens schon schlimm genug, aber der Ton, in dem du es sagst – –«; er zögerte.
»Ja, ich weiß«, sagte sie leise, »ich weiß es selber ganz gut.«
»Ich liebe dich mehr, als ich auszudrücken vermag«, fuhr er fort, »aber manchmal, wenn du zu schreien beginnst, könnte ich dich umbringen.«
Es entstand eine Pause. Eleanor stützte ihr Kinn mit der Hand und sah in das Feuer. »Ich war so damit beschäftigt, dir deine Unzulänglichkeiten vorzuhalten«, sagte sie, »daß ich glaube, es wird nun langsam Zeit, mich um meine eigenen zu kümmern.« Sie sah lächelnd zu ihm auf. »Ich glaube, es wird gut sein, wenn jeder von uns versucht, seine eigenen Fehler abzustellen.«
Er erwiderte ihr Lächeln. »Du denkst daran, was du schon einmal sagtest: Du bist eine Amerikanerin, und ich bin ein Südstaatler.«
»Ja«, sagte sie, »es ist einmal so. Meine Tugenden wirken unangenehm, und deine Fehler wirken anziehend und liebenswürdig.« Sie nahm seine Hand und hielt sie fest. »Wir wollen das ruhig zu Ende durchsprechen«, sagte sie, »es ist für uns beide notwendig, daß wir uns sehen, wie wir sind.«
»Ich habe nichts dagegen, mein Herz.« Er stellte sich wieder an den Kamin und wartete, daß sie fortfahren möchte. Eleanor sah ihn gedankenvoll an. Es kam ihr in den Sinn, daß sie schon früher Kesters angeborene selbstverständliche Eleganz mit der gußeisernen Energie ihres Vaters verglichen hatte. »Ich möchte gerne etwas wissen, Kester«, sagte sie; »antworte bitte ganz ehrlich: Wenn du früher zu uns kamst, vor unserer Heirat, was dachtest du eigentlich über meine Eltern? Fandest du sie nicht rauh und – ungeschliffen?«
Sein Lächeln zeigte, daß ihm die Frage mißfiel. »Muß ich antworten?« fragte er.
»Du hast geantwortet«, sagte Eleanor.
»Aber mein liebes Mädchen«, rief er, und hatte schon wieder das strahlende Jungengesicht, »das macht doch nichts! Das macht doch wirklich nichts!«
»Ich will dir etwas sagen«, versetzte Eleanor. »Als ich hierherkam und zum ersten Male deine Eltern sah, dachte ich, daß es sich bei ihnen um gänzlich nutzlose Wesen handle. Ich fühlte mich ihnen unsäglich überlegen, weil irgendwo tief in mir die harte Entschlossenheit steckt, die meinen Vater befähigte, aus dem Elend herauszukommen, in dem er geboren wurde.«
Kesters Stirn faltete sich leicht zwischen und über den Augenbrauen. Er machte das Gesicht eines Schülers, der zum erstenmal mit der Philosophie in Berührung kommt.
»Nun«, fuhr Eleanor fort, »auch deine Leute müssen einmal etwas von dieser Härte gehabt haben. Als sie
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