Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
England alliiert ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber die Zeitungen schreiben, Graf Bernstorff forderte –«
»Mag sein, daß es so ist.«
»Was denkst du über die Greuelgeschichten, die man erzählt?«
»Unsinn!«
»Du meinst, die Deutschen würden so etwas nicht tun?«
»Nein, solche Dinge, das weiß ich, würden sie nicht tun.«
»Aber die Zeitungen schreiben es doch – warum glaubst du es nicht?«
»Ich verstehe nichts von der Kriegsführung, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Soldaten, die sich auf dem Vormarsch befinden, Zeit haben, sich zu betrinken und nackte Frauen durch die Straßen zu schleifen.«
»Mhm! Mag sein. Aber das alles klingt so entsetzlich. Du bist für Deutschland, nicht wahr?«
Eleanor unterbrach: »Warum sollte sie nicht für Deutschland sein? Wir sind hier in einem neutralen Land.«
Isabel sandte ihr einen erstaunten Blick. »Danke, Mrs. Larne«, sagte sie nach einem Augenblick. »Dieses Land ist so neutral«, fügte sie gleich darauf hinzu, »daß die Speisekarten in sämtlichen Restaurants nur in Englisch geschrieben sind, offenbar weil niemand Gerichte mit französischen, deutschen und russischen Bezeichnungen bestellen will.«
Es wurde gelacht. Kester, in der offensichtlichen Absicht, Isabel von der sinnlosen Ausfragerei zu erlösen, fragte: »Hast du schon bemerkt, daß England eine neue Steuer auf Tee gelegt hat?«
Aber Cousine Sylvias Neugier war noch nicht befriedigt. Sie schaltete sich wieder ein: »Was meinst du, Isabel: War England berechtigt, in den Krieg einzutreten?«
Isabel holte kurz Luft. »Nun hört alle mal zu«, sagte sie, »ich habe seit dem letzten Sommer keine deutsche Zeitung mehr gesehen; seit einer Woche habe ich überhaupt keine Zeitung mehr in der Hand gehabt; ich weiß gar nichts über den Krieg. Ich bin froh, daß ich den explodierenden Kontinent noch eben verlassen konnte, und ich werde Christoph Columbus in meinem Hausgarten ein Denkmal setzen.«
Sie schien plötzlich innerlich hochgradig erbittert. Vor einer Stunde noch schien sie über ihre Heimkehr nach Louisiana erfreut, jetzt benahm sie sich wie ein verzogenes Kind, dem nicht alles nach Wunsch geht. Eleanor fragte sich verwundert, ob nur die sinnlosen Belästigungen diese Wandlung herbeigeführt haben mochten oder ob unterdessen sonst etwas geschehen sei, was Isabel verwirrte. Kester schaltete sich in seiner charmanten Art ein. »Laßt uns ein paar Schlager singen«, rief er. »Violet, würdest du nach dem Essen etwas spielen?«
Violet stimmte bereitwillig zu, offenbar war sie froh, Isabel auf solche Weise Gelegenheit geben zu können, sich etwas zu erholen. Die ganze Gesellschaft folgte Violet bald darauf zum Klavier, und im Augenblick war der Raum von fröhlichem Lärm erfüllt. Violet wirbelte auf den Tasten, Kellner liefen mit Speisen und Getränken umher; Gruppen von Herren, die keine Lust hatten, sich am Gesang und an John Bunny's komödiantischem Talent zu ergötzen, diskutierten die Baumwollkatastrophe; eine andere Gruppe stritt sich über die wichtige Frage, ob der Pfefferminz-Julap mit oder ohne Rum besser schmecke, und über all dem Geschwätz und Gelächter trillerte das Klavier die Begleitung zu dem Song:
»Die Neutralen vor mir rufen: ›Es lebe der Kaiser!‹
Die Neutralen hinter mir rufen: ›Vive la France!‹«
Eleanor lehnte sich gegen das Klavier und lächelte Kester an. Kester ist die Seele des Festes, dachte sie; ein Fest ohne Kester wäre gar nicht denkbar! Sie hörte durch Musik, Gesang und Gelächter Sylvias Stimme:
»… aber ich fühle, daß es meine Pflicht ist, dich zu warnen, Isabel: Die meisten Menschen in diesem Land sind nach der belgischen Affäre sehr empört über die Deutschen –«
»Oh, hör auf, Sylvia! Um Himmels willen, hör auf!«
»Isabel!« rief Sylvia erbittert. Sie wandte ihr beleidigt den Rücken und rauschte davon. Isabel sah ihr erleichtert nach. Eleanor fing ihren Blick auf und lächelte:
»Nehmen Sie es ihr nicht übel«, sagte sie, »sie ist eine Gans!«
Isabel lächelte, aber man merkte diesem Lächeln noch immer ihre Erbitterung an. »Deshalb bin ich nun in ›Gottes eigenes Land‹ zurückgekommen«, seufzte sie. Sie machte eine Bewegung, als wolle sie alles wegwischen, was sie belästigte. »Wie lange sind Sie mit Kester verheiratet?« fragte sie.
»Im letzten Mai zwei Jahre.«
»Oh! Und haben Sie Kinder?«
»Ja, ein kleines Mädchen. Sie hatte letzte Woche ihren ersten Geburtstag.«
»Wie reizend«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher