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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Jonquière war erstaunt und begriff nicht, was sie wollte.
    »Was denn, mein Kind?«
    Da sagte Raymonde, ein wenig errötend, mit leiserer Stimme:
    »Meine Heirat!«
    Nun wurde die Mutter heiter. Eine lebhafte Genugtuung erstrahlte auf ihrem fetten Gesicht, dem Gesicht einer reifen, immerhin noch schönen und angenehmen Frau. Im Nu sah sie die kleine Wohnung in der Rue Vaneau wieder, in der sie ihre Tochter seit des Gatten Tod mit den paar tausend Frank, die er hinterließ, sehr knapp erzogen hatte. Die Heirat war für sie ein neubeginnendes Leben, die Salons öffneten sich wieder, und die schöne Stellung von ehemals war wieder zurückgewonnen.
    »Ach, mein Kind, wie froh macht mich das!«
    Eine plötzliche Verlegenheit bereitete ihr Unbehagen. Gott war Zeuge, daß sie seit drei Jahren nach Lourdes kam, nur um ihrem Bedürfnis, sich barmherzig zu erweisen, zu genügen, und einzig aus wahrer Freude, ihre teuren Kranken zu pflegen. Vielleicht würde sie, falls sie eine Gewissensprüfung vorgenommen hätte, in ihrer Aufopferung auch ein wenig von ihrer gebieterischen Natur entdeckt haben, die ihr die Übung des Befehlens sehr angenehm machte. Aber die Hoffnung, für ihre Tochter unter den jungen Leuten, die um die Grotte herumschwärmten, einen Gatten zu finden, wäre doch erst in letzter Linie gekommen. Sie dachte wohl daran, aber einfach als an eine Möglichkeit, über die sie nicht sprach.
    »Ach, mein Kind! Dieser glückliche Ausgang versetzt mich nicht in Erstaunen. Ich hatte diesen Morgen die Heilige Jungfrau darum gebeten.«
    Dann wollte sie Gewißheit haben und fragte nach den näheren Umständen. Raymonde hatte ihr noch nichts von dem langen Spaziergang erzählt, den sie abends zuvor am Arm Gérards gemacht hatte, da sie wünschte, ihrer Mutter nur triumphierend und in der Gewißheit, endlich einen Gatten erobert zu haben, Mitteilung davon zu machen. Und nun war es geschehen: diesen Morgen selbst hatte sie den jungen Mann an der Grotte wiedergesehen, wo er sich in fröhlicher Weise verpflichtet hatte. Sicherlich würde Herr Berthaud vor ihrer Abreise von Lourdes namens seines Vetters um ihre Hand anhalten.
    »Nun denn«, erklärte Frau von Jonquière, die ihren Gewissenszweifel aufgab, lächelnd und erfreut, »ich hoffe, daß du glücklich sein wirst, weil du so verständig bist, und daß du meiner nicht bedarfst, um deine Angelegenheiten zum Guten zu führen.«
    In diesem Augenblick kam Schwester Hyacinthe, um den bevorstehenden Tod der Frau Vêtu zu melden. Und Frau Desagneaux trocknete sich die Hände ab und ereiferte sich über die Damen, die helfen sollten und gerade an dem Morgen, an dem man sie dringend gebraucht hätte, alle miteinander verschwunden waren.
    »Auch Frau Volmar!« setzte sie hinzu. »Ich frage Sie nur, wo sie hat hingeraten können! Seitdem wir hier sind, hat man sie nicht einmal eine Stunde lang gesehen!«
    »Lassen Sie doch Frau Volmar in Ruhe!« antwortete Frau von Jonquière etwas ungeduldig. »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß sie krank geworden ist.«
    Übrigens eilten beide zum Bett der Frau Vêtu. Ferrand stand davor und wartete. Schwester Hyacinthe hatte ihn gefragt, ob es nichts für sie zu tun gäbe; mit einem Zeichen des Kopfes verneinte er es. Die Sterbende war, durch ihr erstes Erbrechen gleichsam erleichtert, regungslos und mit geschlossenen Augen liegengeblieben. Aber die schreckliche Übelkeit kam ein zweitesmal wieder, sie erbrach neuerdings eine Flut schwarzen, mit violettem Blut vermischten Auswurf. Daraufhin stellte sich eine gewisse Beruhigung ein. Sie öffnete die Augen und bemerkte die Grivotte, die auf der am Boden liegenden Matratze gierig ihr Brot verzehrte. Und sie flüsterte:
    »Sie ist geheilt, nicht wahr?«
    Die Grivotte hörte es und rief aufgeregt:
    »O ja! Ich bin geheilt, geheilt, ganz und gar geheilt!«
    Einen Augenblick schien Frau Vêtu einer entsetzlichen Traurigkeit zu verfallen, der Auflehnung des Wesens, das nicht sterben will, wenn andere weiter leben. Aber hingerissen und besiegt, fügte sie sich mit Ergebung. Man hörte, wie sie sehr leise hinzusetzte:
    »Die Jungen müssen dableiben. Die Heilige Jungfrau hat recht gehabt.«
    Ihre Augen schlossen sich nicht wieder. Sie gingen in der Runde herum und schienen der ganzen Welt, die sie hier sah, Lebewohl zu sagen. Sie lächelte sogar mühsam, als sie dem überaus neugierigen Blick begegnete, den die kleine Sophie Couteau fortwährend auf sie richtete. Das hübsche Kind war morgens noch gekommen, um

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