Lourdes
dann wieder angefangen hatten, hin und her zu gehen, bemerkte er, daß der Pater Fourcade das Bein noch mehr nachschleppte, indem er sich kräftig auf den Arm seines Gefährten stützte.
»Hat sich Ihr Gichtanfall wieder verschlimmert, mein hochverehrtester Pater?« fragte er. »Sie scheinen sehr zu leiden.«
»Oh, sprechen Sie mir nicht davon, ich habe die Nacht kein Auge schließen können. Es ist recht unangenehm mit diesem Anfall, der mich am Tage meiner Ankunft gepackt hat ... Er hätte auch warten können, aber es ist nichts dagegen zu tun, sprechen wir nicht davon. Ich bin über die Ergebnisse dieses Jahres zu glücklich.«
»Ah! ja, ja!« sagte der Pater Massias mit einer vor Inbrunst zitternden Stimme, »wir können stolz sein und dürfen mit begeistertem und dankbarem Herzen von dannen ziehen. Wieviel andere Wunder außer an diesem jungen Mädchen haben sich begeben! Sie lassen sich gar nicht mehr zählen. Taube und Stumme sind geheilt, von Wunden angefressene Gesichter sind glatt wie eine Hand geworden, todkranke Schwindsüchtige essen, tanzen und sind zu neuem Leben auferstanden. Das ist nicht mehr ein Krankenzug, das ist ein Zug der Auferstehung, ein Zug des Ruhmes, den ich von dannen führe.«
Er sah die Kranken in seiner Umgebung nicht mehr und schritt in vollem, göttlichen Triumphe in der Verblendung seines Glaubens dahin. Alle drei setzten ihren langsamen Spaziergang an den Wagen entlang fort, deren Abteile sich zu füllen begannen, lächelten den Pilgern zu, die sie grüßten, und blieben von Zeit zu Zeit immer wieder stehen, um irgendeiner bekümmerten Frau, die bleich und zitternd auf einer Bahre vorbeigetragen wurde, ein gutes Wort zu sagen. Sie erklärten stets, sie sehe weit besser aus und würde bald genesen.
Aber nun eilte der Stationsvorsteher sehr geschäftig vorüber und schrie mit scharfer Stimme: »Versperren Sie den Bahnsteig nicht!«
Als Berthaud ihm aber zu bedenken gab, daß man doch die Tragbahren niedersetzen müßte, bevor man die Kranken einlud, wurde er ärgerlich.
»Sagen Sie selbst, ist das vernünftig? Sehen Sie doch nur dort unten den kleinen Wagen, der auf dem Geleise stehengeblieben ist! In einigen Augenblicken erwarte ich den Zug aus Toulouse ... Wollen Sie denn, daß Ihre Leute überfahren werden?«
Damit eilte er davon, um Leute aufzustellen, die die verwirrte Schar der Pilger, die aufs Geratewohl herumlief, von den Geleisen herunterbringen sollten.
Viele Pilger, alte und einfältige Leute, erkannten nicht einmal die Farbe ihres Zuges. Deshalb trugen alle am Halse eine Karte in der betreffenden Farbe, damit man sie zurechtweisen und wie gezeichnetes Vieh verladen konnte. Welche beständige Aufmerksamkeit erforderte diese Abfahrt der vierzehn eingeschobenen Züge, durch die der Verkehr der gewöhnlichen Züge nicht unterbrochen werden durfte!
Als Pierre, seinen Koffer in der Hand, am Bahnhof anlangte, kostete es ihn schon Mühe, den Bahnsteig zu erreichen. Er war allein. Marie hatte den heißen Wunsch geäußert, noch einmal in der Grotte niederzuknien, damit ihre Seele bis zur letzten Minute in Dankbarkeit vor der Heiligen Jungfrau erglühe, und er hatte sie von Herrn von Guersaint dorthin führen lassen, während er im Hotel bezahlte. Übrigens hatte er ihnen das Versprechen abgenommen, daß sie dann einen Wagen nähmen. Sie würden auf diese Weise sicher rechtzeitig da sein. Während er auf sie wartete, war sein erster Gedanke, ihren Wagen aufzusuchen und sich seines Koffers zu entledigen. Das war aber keine leichte Arbeit, und er erkannte ihn schließlich nur an der Tafel, die seit drei Tagen unter der Sonne und den Stürmen dort schaukelte, ein Viereck aus starkem Papier, das die Namen der Frau von Jonquière, der Schwester Hyacinthe und der Schwester Claire des Anges trug. Das war der Wagen. Er sah in der Erinnerung die mit seinen Reisegefährten gefüllten Abteile wieder. Schon bezeichneten Kissen den Platz des Herrn Sabathier, während er auf der Bank, auf der Marie so viel gelitten hatte, einen von einem Eisenbeschlag des Wägelchens im Holz zurückgelassenen Einschnitt wiederfand. Als er seinen Koffer an seinen Platz gestellt hatte, blieb er auf dem Bahnsteig, wartete geduldig und sah sich um, ein wenig überrascht darüber, daß er Doktor Chassaigne nicht bemerkte, der ihm doch versprochen hatte, sich von ihm am Zuge zu verabschieden.
Jetzt, da Marie wieder auf den Beinen war, hatte Pierre seine Trägerriemen abgelegt und trug auf seiner Soutane
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