Love
diesmal sehr knapp. Sobald er gleichmütig die Keller treppe hinunterpolterte, drehte Lisey sich wie ein unartiges Kind zur Wand, legte ihre Stirn an den Verputz, bedeckte ihren Mund mit beiden Händen und lachte unterdrückt, aber aus vollem Hals quietschend.
Als der Anfall vorüberging, begann sie wieder an Good Mas Zedernholzschatulle zu denken (sie gehörte ihr nun schon seit über fünfunddreißig Jahren, trotzdem hatte Lisey nie auch nur daran gedacht, sie als ihre zu bezeichnen). Die Erinnerung an die Schatulle und all die kleinen Andenken, die sie enthielt, half ihr die Hysterie zu überwinden, die tief aus ihrem Innersten aufstieg. Was noch mehr half, war die wachsende Gewissheit, dass sie die Schatulle auf den Dach boden verfrachtet hatte. Was natürlich völlig logisch war. Die Überbleibsel von Scotts Arbeitsleben lagerten draußen in der Scheune und in seinem Büro; die Überbleibsel des Lebens, das sie während seines Arbeitslebens geführt hatte, würden hier sein: in dem Haus, das Lisey ausgesucht hatte und das sie bei de lieben gelernt hatten.
Auf dem Speicher lagen mindestens vier kostbare Orient teppiche, die sie früher sehr gemocht hatte, bis sie irgend wann aus ihr unbegreiflichen Gründen angefangen hatten, ihr eine Gänsehaut zu verursachen …
Mindestens drei ausgemusterte Koffersets, die alles er duldet hatten, was zwei Dutzend Fluggesellschaften, dar unter viele schäbige kleine Kurzstrecken-Zubringerdienste, ihnen hatten antun können: narbenbedeckte Krieger, die Orden und Paraden verdient hatten, aber sich mit ehren voller Pensionierung auf dem Dachboden zufriedengeben mussten (Teufel, Jungs, immer noch besser als die städtische Müllkippe) …
Die dänisch-modernen Wohnzimmermöbel, die Scott als prätentiös bezeichnet hatte, und wie wütend war sie damals auf ihn gewesen – hauptsächlich deshalb, weil sie ahnte, dass er recht hatte …
Der Schreibtisch mit Rollverschluss, ein »Schnäppchen«, dessen eines Bein sich als zu kurz erwiesen hatte, sodass es unterlegt werden musste, aber der verflixte Unterlegkeil war dauernd herausgerutscht, und dann war ihr eines Tages der Rollverschluss auf die Finger geknallt, und damit war Schluss gewesen, Kumpel, ab auf den Dachboden mit dir …
Aschenbecher auf Ständern aus der Zeit, als sie noch ge raucht hatten …
Scotts alte IBM Selectric, auf der er noch Briefe getippt hat te, bis es allmählich schwierig geworden war, Farb- und Kor rekturbänder zu bekommen …
Zeug wie dies, Zeug wie das, Zeug wie jenes. Eigentlich eine andere Welt, trotzdem war alles hirun-jetz, zumindest hier oben. Und irgendwo – wahrscheinlich hinter einem Sta pel Zeitschriften oder auf dem Schaukelstuhl mit der un zuverlässigen gesprungenen Rückenlehne – würde sich die Zedernholzschatulle aufhalten. Daran zu denken war für Lisey nicht anders, als an einem heißen Tag vor lauter Durst an kal tes Wasser zu denken. Sie wusste nicht, weshalb, aber so kam es ihr vor.
Als Deputy Boeckman mit seinen Polaroidfotos aus dem Keller heraufkam, konnte sie es kaum noch erwarten, dass er endlich ging. Verstockterweise harrte er noch aus ( hart näckig wie Zahnweh, hätte Dad Debusher gesagt), teilte ihr zunächst mit, dass die Katze dem Anschein nach mit einer Art Werkzeug erstochen worden war (möglicherweise mit einem Schraubenzieher), und versicherte ihr dann, dass er gleich draußen parken werde. Auf ihren Einheiten (er nannte sie Einheiten) stehe vielleicht nichts von DIENEN UND BESCHÜT ZEN , dennoch sei dieses Motto stets gegenwärtig, und er wolle, dass sie sich völlig sicher fühlte. Lisey sagte, sie würde sich so sicher fühlen, dass sie tatsächlich daran dachte, ins Bett zu gehen – sie habe einen langen Tag hinter sich, an dem sie außer dieser Stalkersache noch einen Notfall in der Familie zu bewältigen gehabt hätte, und sei völlig erledigt. Diesen Wink verstand Deputy Boeckman endlich und ging, nachdem er ihr abschließend noch einmal versichert hatte, dass sie hier so sicher wie nur möglich war, absolut sicher, und dass sie kei nesfalls versuchen musste, immer nur mit einem Auge zu schlafen. Anschließend polterte er ebenso gleichmütig die Stufen vor der Haustür hinunter, wie er ihre Kellertreppe hinuntergepoltert war, und begutachtete dabei ein letztes Mal seine Fotos von der toten Katze, solange er noch genügend Licht hatte. Kurze Zeit später hörte sie etwas, was wie ein schaurig rihiesiger Motor klang, zweimal kurz aufheulen.
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