Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
verstehen, Menschen in ihrer Lage zu betreuen. Und Darla und ich halten dich natürlich auf dem Lau…«
    Lisey war mit dem schnurlosen Telefon im Schlafzimmer auf und ab gegangen. Jetzt blieb sie stehen und starrte das Notizbuch an, das zu zwei Dritteln aus der rechten Gesäß tasche ihrer achtlos zu Boden geworfenen Jeans gerutscht war. Amandas »Kleines Notizbuch« mit den zwanghaften Ein tragungen … bloß fühlte sich jetzt Lisey zwanghaft zu ihm hingezogen.
    »Lisa?« Canty war die Einzige, die sie so nannte und damit dafür sorgte, dass Lisey sich vorkam wie eines dieser Mäd chen, die bei Gameshows im Fernsehen die Gewinne vorstell ten – Lisa, zeigen Sie Hank und Martha, was sie gewonnen haben! »Lisa, bist du noch da?«
    »Ja, Schätzchen.« Nur noch Augen für das Notizbuch. Kleine verchromte Bügel, die in der Sonne blitzten. Kleine Stahl bügel. »Ich habe gesagt, dass Darla und ich dich natürlich auf dem Laufenden halten werden.« Das kleine Buch war noch gebogen, weil es sich so viele Stunden ihrem Hintern angepasst hatte, und während Lisey es betrachtete, schien Cantatas Stimme schwächer zu werden. Lisey hörte sich sagen, sie wisse bestimmt, dass Cantata alles genauso gemacht hätte, wäre sie an Ort und Stelle gewesen. Während sie sprach, bückte sie sich und zog das Notizbuch ganz aus der Gesäßtasche. Sie versprach Cantata, sie abends anzurufen, versicherte Cantata, dass sie sie liebe, verabschiedete sich von Cantata und warf dann das schnurlose Telefon aufs Bett, ohne es noch eines einzigen Blickes zu würdigen. Sie hatte nur Augen für das abgewetzte Notizbuch, neunundsiebzig Cent in jedem Walgreen's oder Rexall. Und weshalb faszinierte es sie so? Weshalb, wo es doch mittlerweile Morgen und sie ausgeruht war? Sauber und ausgeruht? Nun, im Licht des hereindringenden Sonnenscheins, erschien ihr die zwanghafte nächtliche Suche nach der Zedernholzschatulle albern, nichts als eine verhaltensmäßige Nachaußenverlagerung ihrer gestrigen Ängste, aber dieses Notizbuch hier kam ihr nicht albern vor, nein, ganz und gar nicht.
    Und nur um die Sache noch amüsanter zu machen, sprach Scotts Stimme zu ihr – deutlicher als je zuvor. Gott, klang die se Stimme deutlich! Und kräftig.
    Ich habe dir eine Nachricht hinterlassen, Babylove. Ich habe dir ein Bool hinterlassen.
    Sie dachte an Scott unter dem Lecker-Baum, an Scott in dem verrückten Oktoberschnee, wie er ihr erzählte, dass Paul ihn manchmal mit einem schwierigen Bool getriezt hatte … aber nie zu schwierig. Daran hatte sie seit vielen Jahren nicht mehr gedacht. Natürlich hatte sie es mit all den übrigen Din gen verdrängt, an die sie nicht denken wollte; sie hatte es hinter ihren purpurroten Vorhang geschoben. Aber was war daran so schlimm?
    »Er war nie gemein«, hatte Scott gesagt. Dabei hatte er Trä nen in den Augen gehabt, aber nicht in der Stimme; seine Stimme hatte klar und stetig geklungen. Wie jedes Mal, wenn er eine Geschichte zu erzählen hatte, wollte er gehört werden. »Als ich klein war, ist Paul nie gemein zu mir gewesen und ich nicht zu ihm. Wir haben zusammengehalten. Das mussten wir. Ich habe ihn geliebt, Lisey, ich habe ihn so geliebt.«
    Unterdessen hatte sie über die Seiten mit Ziffern hinweg geblättert – die Ziffern der armen Amanda, alle verrückt eng beieinander. Dahinter schienen nur noch leere Seiten zu kom men. Lisey blätterte sie immer rascher durch; ihre Gewissheit, dass es hier etwas zu finden gäbe, schwand dahin, bis sie fast zum Schluss auf eine Seite stieß, auf der in Druckbuchstaben ein einzelnes Wort stand:
    STOCKROSEN
    Wieso kam ihr das bekannt vor? Erst wollte es ihr partout nicht einfallen, aber dann wusste sie plötzlich wieder Be scheid. »Woraus besteht meine Belohnung?«, hatte sie das Ding in Amandas Nachthemd gefragt – dieses von ihr abge wandte Ding. Aus einem Getränk, hatte es geantwortet. Eine Coke, eine RC ?, hatte sie gefragt, und es hatte gesagt …
    »Es hat gesagt … sie oder er hat gesagt … ›Halt die Klappe, wir wollen die Stockrosen betrachten‹«, murmelte Lisey.
    Ja, das war richtig oder fast richtig; jedenfalls gut genug für gewöhnliche Zwecke. Ihr bedeutete es nichts – und doch fast etwas. Sie starrte das Wort noch einen Augenblick länger an, dann blätterte sie das Notizbuch bis zum Ende durch. Alle Seiten waren leer. Sie wollte es schon beiseitewerfen, als ihr Blick auf die geisterhaften Worte hinter der letzten Seite fiel. Sie klappte den Schutzumschlag

Weitere Kostenlose Bücher