Love
Düften erfüllten Luft von Boo'ya-Mond keine Veränderung ein, und sie konnte weiter ein leises Flattern hören, das von in der Brise killenden Segeln stammen musste. Sie spürte weiter die kühle Stein bank unter sich und empfand einen Anflug von Panik. Was ist, wenn ich diesmal nicht zurückkann?
Dann hörte sie Amanda wie aus weiter Ferne deutlich ver ärgert murmeln: »Ach, Mist. Ich hab den verfickten Seetau cher auf dem Nummernschild vergessen.«
Im nächsten Augenblick vermengte sich das Knattern flat ternder Leinwand mit dem Rattern des Rasenmähers, um dann ganz zu verstummen. Nur kam das Rasenmähergeräusch jetzt aus einiger Entfernung, weil …
Lisey öffnete die Augen. Amanda und sie standen auf dem Besucherparkplatz hinter ihrem BMW . Amanda hielt Lisey an den Händen, und ihre Augen waren fest zusammengeknif fen, ihre Stirn war gerunzelt vor angestrengter Konzentration. Sie trug weiter den minzgrünen Pyjama mit Klettverschlüssen, aber nun war sie barfuß, und Lisey begriff, was die Schwester vom Dienst vorfinden würde, wenn sie nächstes Mal einen Blick auf die Veranda warf, auf der sie Amanda Debusher und ihre Schwester Lisa Landon zurückgelassen hatte: zwei leere Sessel, zwei Pappbecher mit Früchtegold, ein Paar Hausschuhe und ein Paar Turnschuhe, in denen noch die Socken steckten.
Dann – und das würde bald passieren – würde die Schwes ter Alarm schlagen.
In der Ferne, aus Richtung Castle Rock und New Hamp shire, grollte Donner. Ein Sommergewitter zog auf.
»Amanda!«, sagte Lisey, von einer neuen Angst erfasst: Was, wenn Amanda die Augen öffnete und sie wieder nichts als die leeren Ozeane enthielten?
Amandas Blick war jedoch völlig klar, wenn auch etwas verstört. Sie betrachtete den Parkplatz, den BMW und ihre Schwester, dann blickte sie an sich selbst hinab. »Hör auf, meine Hände so fest zu halten, Lisey«, sagte sie. »Sie tun ver dammt weh. Außerdem brauche ich was zum Anziehen. Die ser blöde Pyjama ist durchsichtig, und ich trage keinen Slip, von einem BH ganz zu schweigen.«
»Du kriegst was zum Anziehen«, sagte Lisey, dann schlug sie in einer Art verspäteter Panik auf die rechte Vordertasche ihrer Zimmermannshose und stieß einen Seufzer der Erleich terung aus. Ihre Geldbörse war noch da. Die Erleichterung hielt jedoch nicht lange an. Ihr SmartKey, der in der linken Vordertasche gesteckt hatte – das wusste sie, weil sie ihn immer in dieser Tasche hatte – war nicht da. Der Autoschlüs sel war nicht mitgekommen. Er lag mit ihren Turnschuhen und Socken auf der Veranda vor Amandas Zimmer oder …
»Lisey!«, rief Amanda und umklammerte ihren Arm.
»Was? Was!« Lisey warf sich herum, aber soviel sie sehen konnte, waren sie auf dem Parkplatz weiter allein.
»Ich bin wirklich wieder wach!«, rief Amanda mit heiserer Stimme aus. In ihren Augen standen Tränen.
»Ja, ich weiß«, sagte Lisey. Trotz der Sorge wegen des ver schwundenen Autoschlüssels musste sie unwillkürlich lächeln. »Das ist echt verschmickt wunderbar!«
»Ich hole meine Klamotten«, sagte Amanda energisch und wollte in Richtung Hauptgebäude davongehen. Lisey bekam sie gerade noch am Arm zu fassen. Für eine Frau, die bis vor wenigen Minuten katatonisch gewesen war, war Big Sissa Manda-Bunny jetzt so lebhaft wie eine Forelle in der Abend dämmerung.
»Lass jetzt mal deine Klamotten«, sagte Lisey. »Wenn du da wieder reingehst, garantiere ich dir, dass du die Nacht da drin verbringst. Willst du das?«
»Nein!«
»Gut, denn ich brauche dich. Leider müssen wir vielleicht mit dem Stadtbus fahren.«
Amanda kreischte beinahe: »Ich soll in einer Aufmachung wie 'ne verfickte Stangentänzerin mit dem Bus fahren?«
»Amanda, mein Autoschlüssel ist weg. Er liegt auf deiner Veranda oder auf einer dieser Steinbänke … du erinnerst dich an die Bänke?«
Amanda nickte widerstrebend, dann fragte sie: »Hattest du nicht einen Reserveschlüssel in einem magnetischen Dings bums unter der hinteren Stoßstange deines Lexus? Der übri gens eine vernünftige Farbe für ein nördliches Klima hatte.«
Lisey achtete kaum auf diese Stichelei. Scott hatte ihr das »magnetische Dingsbums« vor fünf oder sechs Jahren zum Geburtstag geschenkt, und als sie auf den BMW umgestiegen war, hatte sie den Reserveschlüssel wieder in den kleinen Metallkasten gelegt, fast ohne darüber nachzudenken. Der Schlüsselsafe musste noch unter der hinteren Stoßstange sein. Wenn er nicht abgefallen war. Sie ließ sich auf ein
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