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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sackte, würde die Hupe zu plärren anfangen, und Mr. Patel würde aus dem Laden stürzen, um nachzusehen, was passiert war. Vielleicht würde er noch rechtzeitig kommen, um zu verhindern, dass sie sich aus Dämlichkeit selbst verbrannte – hieß diese Art Tod Immolation oder Defenestration? Scott hätte es gewusst, genau wie er gewusst hatte, wer die schwar ze Version von »Sh-Boom« gesungen hatte – The Chords – oder wem der Billardsalon in Die letzte Vorstellung gehört hatte: Sam der Löwe.
    Aber Scott, die Chords und Sam der Löwe waren alle nicht mehr da.
    Sie drückte die Zigarette in dem bis dahin unbenutzten Aschenbecher aus. Sie konnte sich auch nicht an den Namen des Motels in Nashville erinnern, in das sie zurückgefahren war, als sie endlich das Krankenhaus verlassen hatte (»O ja, du kehrst zurück wie ein Säufer zu seinem Wein und ein Mund zu seiner Kotze«, hörte sie den Scott in ihrem Kopf intonieren), nur dass der Angestellte an der Rezeption ihr eins der schäbigen Zimmer nach hinten raus gegeben hatte, mit Bretterzaunblick. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass hinter dem hohen Zaun Nacht für Nacht sämtliche Hunde von Nashville kläfften. Im Vergleich zu diesen Kötern war ihr der längst ver blichene Pluto harmlos, fast schweigsam vorgekommen. Sie hatte in einer Hälfte des Doppelbettes gelegen und gewusst, dass sie niemals Schlaf finden würde, dass sie jedes Mal kurz vor dem Einschlafen sehen würde, wie Blondie die Mündung seiner hinterfotzigen kleinen Pistole schwenkte, um auf Scotts Herz zu zielen, dass sie hören würde, wie Blondie Ich muss all diesen Bimbam für die Freesien beenden sagte, und wieder hellwach wäre. Aber irgendwann war sie doch eingeschlafen, hatte gerade eben genug Schlaf bekommen, um durch den folgenden Tag stolpern zu können – drei Stunden, vielleicht vier –, und wie hatte sie diese bemerkenswerte Leistung vollbracht? Mithilfe des silbernen Spatens. Sie hatte ihn auf den Fußboden neben dem Bett gelegt, wo sie ihn immer dann berühren konnte, wenn sie zu fürchten begann, dass sie zu spät gekommen oder zu langsam gewesen war. Oder dass Scotts Zustand sich nachts verschlechtern würde. Und das war schon wieder etwas, woran sie in all den Jahren seit damals nicht mehr gedacht hatte. Lisey griff zwischen den Sitzen nach hinten und berührte erneut den Spaten. Sie überlegte, ob sie Gas geben und nach Hause fahren sollte. Stattdessen zündete sie sich eine weitere Salem Light an und rief sich ins Gedächtnis zurück, wie sie Scott am folgenden Morgen besucht und in der schon schwülen Hitze die Treppe zur Inten sivstation im zweiten Stock hinaufgestiegen war, weil an den nur zwei Besucheraufzügen in diesem Klinikflügel ein AUSSER BETRIEB -Schild gehangen hatte. Sie dachte daran, was passiert war, als sie sich seinem Zimmer genähert hatte. Im Grunde genommen eine alberne Sache, nur eine dieser
    14 Eine dieser Albernheiten, mit denen man jemandem einen heillosen Schreck einjagen kann, ohne es zu wollen. Lisey kommt von der Treppe am Ende des Gebäudeflügels her den Korridor entlang, und die Krankenschwester kommt mit einem Tablett in den Händen aus Zimmer 319 und sieht dabei stirnrunzelnd über ihre Schulter. Lisey sagt Hallo, damit die Schwester (die bestimmt keinen Tag über dreiundzwanzig ist und noch jünger aussieht) weiß, dass sie da ist. Es ist ein sanfter Gruß, ein leises Little-Lisey-Hallo, aber die Schwester stößt einen kurzen spitzen Schrei aus und lässt das Tablett fallen. Teller und Kaffeetasse überleben – sie sind zähe alte Cafeteria-Kämpen –, aber das Saftglas zerschellt und verspritzt seinen restlichen Inhalt aufs Linoleum und die bis dahin makellos weißen Schuhe der Schwester. Sie starrt Lisey an wie ein im Scheinwerferlicht gefangenes Reh, scheint im ersten Augenblick flüchten zu wollen, beherrscht sich dann aber und sagt das in solchen Fällen Übliche: »Oh, tut mir leid, Sie haben mich erschreckt.« Sie geht in die Hocke, sodass der Rocksaum hochrutscht und ihre weiß bestrumpften NancyNurse-Knie sehen lässt, und stellt Tasse und Teller wieder aufs Tablett. Dann macht sie sich mit graziös flinken und vorsichtigen Bewegungen daran, die Glasscherben aufzusammeln. Lisey geht ebenfalls in die Hocke und hilft ihr dabei.
    »Oh, Ma'am, das ist nicht nötig«, sagt die Krankenschwes ter. Sie spricht mit starkem Südstaatenakzent. »Das war allein meine Schuld. Ich hab nicht aufgepasst, wo ich hingehe.«
    »Schon in Ordnung«,

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