Lovers (German Edition)
um dich, weißt du? Ich will nicht, dass dich jemand verletzt. Aber du triffst deine eigenen Entscheidungen. Hier muss niemand für seine Handlungen Rechenschaft ablegen. Okay?”
“Okay, ja.”
“Wir sind heute alle etwas müde. War wohl etwas viel Sonne. Warum legst du dich nicht ein Weilchen hin?”
“Ja, das werde ich wohl machen.”
Sie legt das Handtuch beiseite und drückt kurz meine Hand. “Essen gibt’s um sieben. Wenn du willst, lass das Abendessen ausfallen. Oder komm hoch und hol dir was, wenn dir danach ist. Im Kühlschrank ist genug für ein paar gute Sandwichs. Ich lasse heute Nachmittag alle selbst entscheiden, was sie machen wollen.”
Ich nicke und sehe ihr nach, als sie die Küche verlässt. Dann laufe ich auf dem kurzen Kiesweg zu meinem Cottage. Ich höre Gelächter und bleibe stehen. Jack und Audrey sind in seinem Cottage.
Ich will das alles nicht hören.
Hastig gehe ich an dem roten Cottage vorbei, stoße die blaue Tür meiner Hütte auf und verschwinde im Innern. Ich schlüpfe aus meinen sandigen Sachen und lege mich auf den sauberen Quilt. Ich versuche, mich auf das Meeresrauschen zu konzentrieren und die Geräusche von Audrey und Jack auszublenden. Aber mein Herz hämmert unregelmäßig in der Brust, als sei irgendwas in mir zerschmettert worden. Wie der Becher, den ich in die Spüle geworfen habe. Nur dass man mich nicht so leicht ersetzen kann. Und ich hoffe, ich bin nicht so schnell vergessen.
Ich fühle mich unsichtbarer als jemals zuvor.
Ich war sicher, dass ich wach im Bett liegen und angestrengt lauschen würde, was Audrey und Jack nebenan taten. Oder Jack mit Audrey. Noch immer weiß ich nicht so genau, welche Konstellation mich mehr sorgen würde. Lächerlich. Aber irgendwie muss ich doch sofort eingeschlafen sein, statt in Selbstmitleid zu zerfließen. Ich kann mich nicht genau erinnern. Jetzt bin ich jedenfalls wieder wach und ziemlich steif, weil ich in dieser unbequemen Haltung geschlafen habe, das Gesicht in die Kissen gedrückt und auf der Tagesdecke ausgestreckt. Es wird schon wieder dunkel, und es ist feucht und kühl. Die Aufschläge meiner Hose sind mit Sand und Salz verkrustet. Ich drehe mich auf die Seite und recke mich gähnend. Meine Augen konzentrieren sich auf ein paar Sandkörner auf dem Quilt, aber wenn ich sie zusammenkneife, sehe ich, dass einige dunkler sind und andere fast durchsichtig wie winzige Kristalle.
Noch immer versuche ich, nicht hinzuhören. Aber ich kann nicht anders. Ich höre nur das dumpfe Rollen der Brandung, und meine Gedanken rasen. Wie genau ist diese Beziehung zwischen Jack und Audrey definiert? Was heißt das für mich? Habe ich ihr nicht mehr bedeutet als ein paar lustvolle Stunden – wenn überhaupt? Ist das etwas, das sie ständig macht? Vielleicht haben die beiden ja eine Vereinbarung, dass sie jederzeit mit Frauen schlafen kann?
Und wieso interessiert mich das so sehr?
Zum Teil denke ich, die Zeit mit ihr war für mich eher damit verbunden, eine tiefe Bindung zu ihr einzugehen. Es ging nicht um Chemie. Die allerdings unbestreitbar auch sehr intensiv war. Und noch ist.
Vielleicht muss ich mich einfach glücklich schätzen, diese Erfahrung gemacht zu haben. Und weitergehen.
Genau. Weil ja die vielen Jahre in Therapie mir gezeigt haben, wie gut ich darin bin, einfach weiterzugehen.
Ich seufze und richte mich in eine sitzende Position auf. Ich bin hungrig, aber ich habe noch keine Lust, zum Haus zu gehen und dort die anderen zu treffen. Ich will Audrey und Jack nicht sehen, die miteinander so glücklich sind. Ich will sie aber auch nicht nicht sehen und mir vorstellen müssen, was sie zusammen in seinem Cottage anstellen. In seinem Bett.
Ich bin wirklich verrückt.
Vielleicht sollte ich einfach abreisen. Nach Hause fahren und in mein altes, unkompliziertes Leben zurückkehren. Aber ich will eigentlich nicht weg. Ich will hier bleiben und über diese Gefühle hinwegkommen.
Ja, ich will einfach bleiben.
Ich gehe ins Badezimmer, ziehe mich nackt aus und gehe unter die Dusche. Unter dem heißen, prasselnden Wasser fühle ich mich ein bisschen besser. Es beruhigt und irgendwie fühle ich mich sicher. Ich habe im Laufe der Jahre oft davon geträumt, in einer großen Dusche zu stehen, die wunderschön mit braunen und grünen Kacheln gefliest ist, in der Dampf und der Duft von Seife hängen und das heiße Wasser auf meine Haut prasselt. Ich habe keine Ahnung, was der Traum bedeutet. Ich weiß nur, wie ruhig und selbstsicher
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