Lovesong
zurückzuküssen. Doch dann fiel mir plötzlich diese Nacht im House of Rock wieder ein, ihr animalisches Heulen, der verängstigte Blick, als sie aus dem Schlafzimmer gekommen war. Auf keinen Fall wollte ich, dass sie das noch einmal durchmachen musste. Und auch ich wollte so etwas nicht noch einmal erleben.
In jener Nacht in San Francisco aber, als Vivs Hand meinen Rücken entlangstrich, war ich absolut bereit dafür. Ich verbrachte die Nacht in ihrem Apartment, und am nächsten Morgen begleitete sie mich zum Frühstück mit der Band, ehe wir zu unserem nächsten Tourstopp aufbrachen. »Ruf mich doch an, wenn du wieder in der Stadt bist«, flüsterte sie mir zum Abschied ins Ohr.
»Na, wieder im Sattel, Alter?«, meinte Fitzy und hielt mir die Hand zum Abklatschen hin, während wir den Wagen Richtung Süden lenkten.
»Ja, Gratulation«, sagte auch Liz ein bisschen traurig. »Aber reit nicht zu sehr drauf rum.« Sarah hatte erst kürzlich ihren Abschluss in Jura gemacht und arbeitete nun für eine Menschenrechtsorganisation. Vorbei die Zeiten, in denen sie alles stehen und liegen lassen konnte, um Liz spielen zu sehen.
»Bloß weil du und Mikey liiert seid, braucht ihr uns nichts vorzuheulen«, meinte Fitzy. »Auf Tour heißt es Spaß haben, hab ich recht, Wilde Man?«
»Wilde Man?«, fragte Liz nach. »So läuft das jetzt also?«
»Nein«, protestierte ich.
»Hey, aber wenn der Name doch so gut passt …«, sagte Fitzy. »Echt gut, dass ich noch schnell in den Supermarkt bin und ’ne Packung Kondome gekauft habe, bevor wir los sind.«
In L. A. wartete bereits das nächste Mädchen auf mich. Und in San Diego wieder eine andere. Aber nichts von alldem schien mir daneben. Ellie, das Mädchen in L. A., war eine alte Freundin von mir, und Laina, die in San Diego, war Studentin im Abschlussjahr – klug und sexy und viel älter als ich. Niemand konnte sich vormachen, dass eine dieser kurzen Affären zu einer Megaromanze hätte führen können.
Bei unserem vorletzten Gig traf ich ein Mädchen, dessen Namen ich leider nicht mitgekriegt hatte. Sie war mir von der Bühne aus aufgefallen. Sie hatte mich den ganzen Auftritt über angestarrt, und sie hörte nicht auf, mich anzustarren. Das brachte mich irgendwie durcheinander, machte mich aber zugleich an. Ich muss schon sagen, sie zog mich regelrecht mit ihrem Blick aus. Da wäre jeder Mann scharf geworden und hätte sich großartig gefühlt, und es war echt ein verdammt gutes Gefühl, endlich mal wieder so offensichtlich gewollt zu werden.
Nach dieser Show schmissen die vom Label eine CD -Veröffentlichungsparty, auf die man nur mit persönlicher Einladung kam. Ich hatte nicht erwartet, sie dort zu treffen. Aber nach ein paar Stunden war sie plötzlich da und kam auf mich zu in einem Outfit, das halb nach Nutte, halb nach Supermodel aussah: ein superkurzer Rock und Stiefel, die locker als Angriffswaffen hätten durchgehen können.
Sie marschierte direkt auf mich zu und verkündete ziemlich laut und deutlich: »Ich bin den ganzen weiten Weg aus England gekommen, um mit dir zu ficken.« Und mit diesen Worten schnappte sie sich meine Hand und führte mich zur Tür raus bis in ihr Hotelzimmer.
Der Morgen danach war so unangenehm wie noch keiner zuvor. Beschämt stolperte ich ins Badezimmer, zog mich blitzschnell an und versuchte mich rauszuschleichen, aber da war sie schon, fertig angezogen und zum Aufbruch bereit. »Was hast du denn vor?«, fragte ich sie.
»Ich komme mit dir«, meinte sie, so als wäre das selbstverständlich.
»Wohin willst du mit mir kommen?«
»Nach Portland, mein Liebster.«
In Portland sollten wir den letzten Auftritt haben, und es war zugleich eine Art Heimkehr, da wir inzwischen allesamt dort wohnten, wenn auch nicht mehr in einem gemeinsamen House of Rock. Liz und Sarah suchten sich gerade eine eigene Bleibe. Mike zog soeben mit seiner Freundin zusammen. Und Fitzy und ich hatten uns gemeinsam ein Haus gemietet. Doch wir lebten alle noch in derselben Gegend, in Gehweite voneinander und ganz nah bei dem Übungsraum, den wir gemietet hatten.
»Wir haben nur einen Van, keinen Tourbus«, erklärte ich ihr und sah auf meine Chucks hinunter. »Und das ist die letzte Show in Portland, da sind fast nur Freunde und Familie. Du solltest besser nicht dabei sein.« Und ich bin außerdem nicht dein Liebster.
Sie runzelte die Stirn, und ich schlich mich zur Tür raus in der Annahme, das sei’s gewesen. Als ich allerdings in Portland zum Soundcheck
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