Lucas
nebeneinander auf der Bettkante, während Lucas im Zimmer auf und ab ging, die Hände um einen Becher starken schwarzen Kaffee gelegt. Etwas zu essen oder frische Kleidung hatte er abgelehnt, doch den Kaffee hatte er dankbar angenommen und ein wenig verlegen um drei Löffel Zucker gebeten. Dad hatte ein Flanellhemd und eine Cordhose übergezogen. Er rauchte eine Zigarette. Das Fenster stand offen, damit der Rauch abziehen konnte. Die Luft war kalt.
Lucas blieb am Fenster stehen, starrte einen Moment in das schwarze Getränk, dann hob er den Kopf und lief wieder auf und ab und die Bodenbretter knarrten. Das Zimmer tickte geduldig in der Stille der Morgendämmerung.
Dad beobachtete ihn eine Weile genau, dann sagte er: »Fang an, Junge.«
Lucas erzählte.
Als Erstes erzählte er Dad, dass es bestimmte Dinge gäbe, die er nicht preisgeben dürfe. Dinge über mich.
»Es gibt nichts zu verbergen, Mr McCann. Dafür gebe ich Ihnen mein Wort. Aber wenn ich Dinge ausspräche, die IhreTochter Ihnen nicht erzählt hat, würde ich Caits Vertrauen in mich missbrauchen. Und das kann ich nicht tun.«
Dad betrachtete ihn lange mit strengem Blick. Schließlich sagte er: »Einverstanden. Ich nehm das erst mal so hin. Aber ich will genau wissen, was heute am Strand passiert ist. Keine Einschränkungen, keine Ansprüche, kein Unsinn.«
Lucas nickte. »Okay. Es begann am Freitagabend. Ich angelte gegenüber der Bucht Krebse, als ich zufällig mithörte, wie zwei Jugendliche über ein Mädchen sprachen, das in der Nähe der Klippen überfallen worden sei. Die beiden waren ein Pärchen und sehr . . . miteinander beschäftigt. Sie wussten nicht, dass ich auch da war, und sobald ich merkte, was sie vorhatten, ließ ich sie auch allein, aber so viel bekam ich trotzdem noch mit: Das Mädchen, von dem sie redeten, war Angel Dean und die Beschreibung, die sie vom Täter gegeben hatte, bezog sich auf mich.«
»Und war es so?«
»Dad!«, sagte ich. »Du kannst doch nicht –«
Er hob seine Hand. »Lass ihn antworten. Hast du am Freitag Angel Dean überfallen?«
»Nein.«
»Kannst du das beweisen?«
»Nein.«
»Wo warst du?«
»Wann?«
»Am Nachmittag.«
Lucas dachte nach. »Ich war bis gegen drei Uhr im Wald. Eine Stunde habe ich in der Bucht geangelt. Dann bin ich wieder zurück in den Wald.«
»Und hast was gemacht?«
Er zuckte die Schultern. »Nicht viel. Essen, schlafen, lesen, rumsitzen, nachdenken, Dinge beobachten . . .«
»Und du bist nicht in die Nähe der Klippen gegangen?«
»Nein.«
»Okay – und was war heute?« Er schaute auf die Uhr. »Ich meine gestern.«
Lucas trank seinen Kaffee aus und stellte den Becher auf den Nachttisch. »Ist es in Ordnung, wenn ich mich setze?« Dad zeigte auf einen Sessel am Fenster.
Lucas setzte sich hin. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
Dad schüttelte den Kopf.
Lucas fing an eine Zigarette zu drehen. »Jamie Tait und Angel Dean haben eine Geschichte zusammengebastelt, mit der sie die Insel gegen mich aufbringen wollten –«
»Warum?«, unterbrach ihn Dad.
Lucas warf mir einen Blick zu, dann schaute er wieder meinen Vater an. »Aus verschiedenen Gründen.«
»Zum Beispiel?«
»Tait hat Angst vor mir.«
»Angst vor dir? Warum?«
»Ich bin anders. Er weiß nicht, was ich bin. Er weiß, dass ich keine Angst vor ihm habe. Er weiß, dass ich ihn, wenn es sein müsste, töten würde. Und er weiß, dass ich besser aussehe als er.«
Dad grinste. »Meinst du?«
Lucas zündete sich die Zigarette an. »Ich weiß es.«
Es lag kein bisschen Arroganz in seiner Stimme. Er prahlte nicht, sondern konstatierte nur eine Tatsache. Er
sah
besseraus als Jamie. Er wusste das. Und er wusste auch, dass das von Bedeutung war. Egal, was alle Leute behaupten: Aussehen
ist
wichtig. Dir selbst mag es vielleicht egal sein, wie du aussiehst, aber anderen nicht, und solche kleinen Dinge können darüber entscheiden, wie andere auf dich reagieren.
Das, glaube ich jedenfalls, war, was er dachte.
Rauch stieg aus seinem Mund und schlängelte sich durchs Fenster hinaus in den Regen. Der Wind hatte aufgehört und der Regen schüttete jetzt senkrecht und hart herab. In der Ferne, draußen über dem Meer, ließ das Tageslicht den Himmel erblassen.
»Was ist mit Angel?«, fragte Dad. »Warum hat sie mitgemacht?«
»Sie wollte ihn für sich.«
»Woher weißt du das?«
»Das sehe ich, ob jemand einen Menschen begehrt.«
»Ja, aber –«
»Bitte, Mr McCann – wenn Sie aufhören Fragen zu
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