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Lucas

Lucas

Titel: Lucas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Hause, hauptsächlich zwischen Dominic und Dad. Seit der Nacht, in der Dommit Jamie Tait losgezogen war, hatten sie nicht aufgehört sich gegenseitig spitze Bemerkungen an den Kopf zu werfen. Es gab böse Blicke, kleine Seitenhiebe, sarkastische Kommentare, eisiges Schweigen . . . und dann, am Mittwoch, hatten sie einen lautstarken Streit. Ich weiß gar nicht mehr, wie es anfing, ich weiß noch nicht mal mehr, worum es eigentlich ging – obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass Dominics Verhalten den Anlass gab. Er war fast gar nicht mehr zu Hause, und wenn er aufkreuzte, meistens spät in der Nacht, sprach er eigentlich mit niemandem. Er rasierte sich nicht mehr, trug immer dieselben dreckigen Klamotten und seine Augen bekamen etwas Blasses und Unkonzentriertes. Er sah aus wie eine Gestalt aus den Mad-Max-Filmen.
    Der Streit begann beim Abendessen. Dad hatte getrunken und Dominic tat alles, um aufzuholen, indem er eine Literflasche Rotwein niedermachte, als wäre es Cola. Sie rauchten beide wie die Schlote. Der Zigarettenqualm hing wie Nebel im Zimmer und auf dem Tisch verteilt standen überquellende Aschenbecher und halb volle Teller mit Essen. Ich saß nur da, mit gesenktem Kopf ein schlaffes Salatblatt auf meinem Teller herumschiebend, als Dad und Dominic plötzlich aufsprangen und sich anschrien.
    ». . . du und Tait und die anderen Dreckskerle, die immer an der Bootswerft rumhängen!«
    »Ach, hör doch auf.«
    »Da gehst du doch ständig hin, oder etwa nicht?«
    »Behandel mich nicht wie ein kleines Kind.«
    »Oh, davon würde ich nicht mal
träumen
. Bei so einem ganz und gar reifen Mann wie dir.«
    »Das muss ich mir nicht anhören. Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Lass mich doch meinen Spaß haben, verflucht noch mal.«
    »Hast du den wirklich?«
    »Scheiße – was weißt
du
denn von Spaß . . .?«
    Und immer so weiter.
    Ich hasste es.
    Es erinnerte mich an die schlimmen Zeiten ein paar Jahre nach Mums Tod   – Dad war damals kurz davor gewesen, den Halt zu verlieren, Dom hatte mit der Pubertät zu kämpfen und ich verstand nicht, was los war. Es erinnerte mich an die Tränen und erregten Stimmen, die Vorwürfe und Gegenvorwürfe, das ständige Gezanke . . . Und ganz tief in mir konnte ich nicht anders, als Dominic die Schuld zu geben. Wenn er nicht zurückgekommen wäre, wäre alles noch gut.
    Und bei diesem Gedanken fühlte ich mich noch schlechter.
    Ich musste raus, über den Strand laufen, die Meeresbrise in meinen Haaren spüren und das Rauschen der Wellen hören, wenn sie auf den Sand schlugen. Ich musste den Horizont sehen und mich fragen, was wohl dahinter lag, Vögel beobachten und spüren, dass ich wieder zurück war dort, wo ich hingehörte.
    Aber ich konnte nicht.
    Ich brachte es einfach nicht fertig.
     
    Am Donnerstagabend rief Simon an. Ich wollte gerade ins Bett, als ich hörte, wie Dad die Treppe hinaufrief. »Cait, Telefon! Ich glaube, es ist Simon.« Ich war müde und hatte keine rechte Lust, mit ihm zu reden, aber als ich zum Treppenabsatzschlich, um Dad zu bitten, er solle sagen, ich schliefe schon, baumelte der Hörer bereits an der Wand herunter und Dad schloss die Tür zum Arbeitszimmer.
    Ich ging hinunter und schnappte mir den Hörer.
    »Hallo?«
    »Cait? Ich bin’s, Simon. Ich hab dich doch nicht geweckt, oder?«
    »Nein.«
    »Sicher?«
    »Ja. Wie geht’s?«
    »Gut.«
    Ich wartete, dass er noch etwas sagen würde, aber die Leitung blieb stumm. Simon ist manchmal eine harte Nuss.
    »Und, was hast du so gemacht?«, fragte ich.
    »Nichts Besonderes . . . hauptsächlich meinem Vater geholfen. Wir haben fast den ganzen Tag Knochenmehl eingesammelt.«
    »Knochenmehl?«
    »Na ja, eigentlich eher Guano.«
    »Vogelscheiße?
    Er lachte. »Ja, stammt drüben vom alten Leuchtturm auf der anderen Seite der Bucht, den sie letztes Jahr abgerissen haben. Es gibt da Massen . . . und spottbillig. Dad nutzt sie als Dünger.«
    »Ich wette, sie riecht schön.«
    »Ist wirklich gutes Zeug, enthält viel Stickstoff. Und außerdem ist es besser für den Boden, als Unmengen Chemikalien draufzukippen. Weißt du, wie lange Kunstdünger in der Nahrungskette bleibt?«
    Ich seufzte. Nicht dass ich unhöflich sein wollte, aber ich hatte wirklich keine Lust, mich jetzt über die Vor- und Nachteile von Kunstdünger zu unterhalten. »Hör zu«, sagte ich, »ich kann nicht lange sprechen – mein Vater erwartet einen Anruf.«
    »O ja, natürlich . . . in Ordnung.«
    Es wurde wieder still in

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