Lucy in the Sky
trillert auf Mollys Penispfeife. Ich fange an zu kichern und merke, dass ich nicht mehr aufhören kann.
James scheint mir so weit weg, ohne die geringste Verbindung zu all dem, was ich hier erlebe. Ich bin glücklich, ich fühle mich frei. Eigentlich könnte ich doch hier bleiben, denke ich. Wo steht denn geschrieben, dass ich unbedingt wieder nach England zurückmuss?
Wenig später sind wir in King’s Cross, Sydneys Rotlichtbezirk. Vor ein paar Tagen haben Molly und ich in dem Club angerufen und uns auf die Gästeliste setzen lassen, damit wir nicht so lange anstehen müssen. Der Türsteher öffnet die Sperre, schielt auf Jennys Penispfeife und widmet Mollys Ausschnitt große Aufmerksamkeit. Aber ihr ist das gleichgültig, dieser Abend gehört ihr.
Drinnen dröhnt die Musik, und im Saal wimmelt es von jungen Männern in engen T-Shirts.
Ob das ein Schwulenclub ist?
»Ist das hier etwa ein Schwulenclub?«, platze ich auch schon heraus.
»Lucy!«, schreit Molly entrüstet. »Natürlich nicht. Ich will schließlich, dass man mit mir an meinem letzten ledigen Samstag flirtet!«
»Hmm.« Mehr fällt mir dazu nicht ein. Aber trotzdem – für mich sehen die Jungs ziemlich schwul aus.
Wir trennen uns: Ungefähr die Hälfte begibt sich zur Bar, während Molly und ich mit den anderen auf die Tanzfläche gehen. Sofort hat uns eine Gruppe T-Shirt-Männer eingekreist. Sehr unangenehm. Ich habe schon ein bisschen zu viel getrunken und fühle mich der Situation nicht mehr richtig gewachsen. Außerdem vermisse ich Nathan – nein, ich meine natürlich James –, also entschuldige ich mich und setze mich erst mal in eine Ecke. Minuten später erscheint Molly mit zwei Gläsern Wasser und lässt sich neben mich auf die Bank sinken.
»Sanke«, lalle ich und trinke einen Schluck. So sitzen wir ein paar Minuten schweigend nebeneinander und beobachten das Gewühle auf der Tanzfläche.
»Ist das hier schwierig für dich?«, erkundigt sich Molly auf einmal ganz ernst.
»Warum? Weil meine eigene Beziehung so beschissen ist?« Ich rutsche tiefer in meinen Sitz.
»Nein, wegen deiner Gefühle für Sam.«
»Was meinst du denn damit?« Jetzt sitze ich kerzengerade.
»Entschuldige. Ich meine, wegen deiner Gefühle, die du für Sam
hattest
. Damals in der Highschool«, korrigiert sie sich.
»Du hast das
gewusst
?«
»Selbstverständlich«, erwidert sie. »Du warst – du bist – meine beste Freundin. Da muss man so was doch merken!«
»Weiß Sam es auch?« Wie grässlich peinlich!
»Nein.« Molly schüttelt den Kopf. »Er ist ein Mann. Männer kriegen solche Dinge nicht mit.«
»Tja, dann kann ich dir jetzt sagen, dass ich mit absoluter Sicherheit über ihn weg bin«, sage ich, leidenschaftlich jede Silbe betonend.
»Ich weiß.« Molly sieht wieder zur Tanzfläche hinüber.
»Nein, wirklich. Ich bin ehrlich drüber weg.« Das ist mir ausgesprochen unangenehm.
»Ich weiß, Lucy. Du bist jetzt mit James zusammen, und ihr werdet euch bestimmt wieder zusammenraufen.«
»Na klar«, antworte ich überenthusiastisch.
Die Wahrheit ist, dass ich daran im Moment überhaupt nicht glaube. James scheint zu einer anderen Welt zu gehören. Eine Welt, mit der ich nichts mehr zu tun habe. Meine Welt ist hier, in diesem Moment, mit dem dreiundzwanzigjährigen Surferbruder von Mollys Verlobtem. Aber das werde ich ihr wohl kaum erzählen. Obwohl ich blau bin wie ein Veilchen, weiß ich trotzdem, wie lächerlich sich das anhört.
In diesem Augenblick erscheint Jenny mit ihrer furchtbaren Penispfeife, und ich bin ihr dankbar für die rüde Unterbrechung. Zu zweit schleppen wir Molly auf die Tanzfläche.
Zwei Stunden später, als wir alle mehr als abgefüllt sind, wanken wir aus dem Nachtclub und steigen in die wartende Limousine. Unser heißer Mark Ruffalo betrachtet uns im Rückspiegel. »Manly?«, fragt er.
»Ja bitte«, bringe ich einigermaßen fehlerfrei hervor.
Mollys Chefin und ein paar der anderen Mädchen sind schon weg, aber wir setzen Amanda, Jenny und Bea unterwegs an verschiedenen Punkten ab. Dann kommen wir schließlich zur Harbour Bridge. Möwen oder Fledermäuse – das kann ich nicht genau sagen – fliegen über der Brücke und sehen im Licht der erleuchteten Gebäude wie Hunderte kleiner Ascheflöckchen aus.
Schläfrig lehnen Molly und ich uns im Sitz zurück. »Mir geht’s nicht so gut«, murmelt sie.
Als wir heimkommen, ist das Haus dunkel – die Jungs sind anscheinend noch nicht zurück. Zum ersten Mal fällt mir
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