Ludlum Robert - Covert 03
ausschwärmten, um das Areal gründlich abzusuchen, huschte Smith über die Rasenfläche und den Sandstreifen davon und versteckte sich unter den Ästen einer Weide, die bis fast in den Fluss hingen. Die Nerven zum Zerreißen gespannt, presste er sich an den Baumstamm, wagte kaum zu atmen und hielt seine Sig Sauer in der Hand. Für den Augenblick war er in Sicherheit.
*
Nachdem M. Mauritania sein Abendessen im La Venta del Alma, einem hübschen Gasthof auf der der Altstadt gegenüberliegenden Seite des Flusses eingenommen hatte, schlenderte er auf die Terrasse des luxuriösesten Hotels von Toledo, dem Parador Conde de Orgaz. Er sah auf die Uhr. Noch genügend Zeit. Die Abreise würde erst in einer knappen Stunde erfolgen.
Mauritania erlaubte sich einen bewundernden Blick auf die nächtliche Silhouette. Über dem vom Mond beleuchteten Fluss lag Alt-Toledo im märchenhaften Spiel von Licht und Schatten, ein Anblick so wunderschön, wie ihn nur eine der Geschichten aus 1001 Nacht oder ein persisches Liebesgedicht beschreiben konnte.
Die primitive westliche Kultur mit ihrem engstirnigen Gottesbegriff und ihrem faden Heiland verstand Toledo nicht. Aber die waren ja auch fähig, eine Frau in einen Mann zu verwandeln und damit sowohl die Wahrheit der Frau wie auch die des Mannes zu korrumpieren. Dies war nirgends sichtbarer als in der großen Stadt des Propheten, wo jedes Denkmal und jede grandiose Erinnerung als Tand und Lüge betrachtet und für Geld zur Schau gestellt wurde.
Er sog den Anblick Toledos in sich auf, genoss ihn. Ein göttlicher Ort, gelebte Erinnerung an jene glorreiche Zeit vor fast tausend Jahren, als Araber hier geherrscht und inmitten von Unwissenheit und Primitivität ein Zentrum muselmanischer Wissenschaft geschaffen hatten. Die Wissenschaften hatten eine nie da gewesene Blüte erlebt, und Muslime, Christen und Juden hatten in Harmonie zusammengelebt und gearbeitet, die Sprachen der jeweils anderen gelernt und deren Kultur und Glauben studiert.
Aber jetzt, dachte er, und dabei stieg Wut in ihm auf, bezeichneten Christen und Juden den Islam als barbarisch und wollten all seine Spuren vom Antlitz der Erde tilgen. Das durfte ihnen nicht gelingen. Der Islam würde wieder zu Macht und Ansehen gelangen, würde erneut regieren. Das wollte er allen zeigen.
Er klappte den Kragen seiner Lederjacke hoch, um sich vor der einsetzenden nächtlichen Kühle zu schützen, und betrachtete die Reichtümer dieser jetzt so dekadenten Stadt. Alle kamen hierher, um sie zu fotografieren und billige Andenken an ihre Vergangenheit zu kaufen, weil sie mehr Geld als Seele ihr Eigen nannten. Nur wenige besuchten die Stadt, um von Toledo zu lernen, um sich mit dem auseinander zu setzen, was Toledo einmal gewesen war und zu begreifen, was das Licht des Islam hierher gebracht hatte, als das christliche Europa noch sein intolerantes Zeitalter der Finsternis durchlaufen hatte. Er dachte verbittert an seine arme, verhungerte Heimat, wo die Sanddünen der Sahara langsam aber stetig Land und Leute erstickten.
Und da fragten sich die Ungläubigen, weshalb er sie hasste, weshalb er Pläne schmiedete, um sie zu vernichten, weshalb er danach strebte, die Erleuchtung des Islam zurückzubringen. Eine Kultur zurückzubringen, in der Geld und Habgier nichts bedeuteten. Die Macht zurückzubringen, die hier jahrhundertelang regiert hatte. Er war kein Fundamentalist. Er war Pragmatiker. Zuerst würde er den Juden eine Lektion erteilen. Dann den Amerikanern. Und während die Amerikaner darauf warteten, dass er zuschlug, würden sie schwitzen.
Mauritania war bewusst, dass er für den Westen ein Rätsel war. Er baute darauf, wusste, dass seine zarten Hände und sein feines Gesicht ebenso wie sein rundlicher Körper schwach und machtlos wirkten. Aber tief in seinem Innersten kannte er die Wahrheit. Er war ein Heroe.
Eine Zeit lang stand er stumm auf der Terrasse des palastähnlichen Hotels, studierte den Turm der großen christlichen Kathedrale und den gewaltigen Komplex und die Turmspitzen des al-Qasr, die seine Wüstenbrüder vor beinahe 1500 Jahren gebaut hatten. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber in seinem Inneren flammte die Wut und wuchs und steigerte sich, geschürt von Jahrhunderten der Empörung. Sein Volk würde erneut aufsteigen. Aber langsam und vorsichtig, in kleinen Schritten, angefangen mit dem Schlag, den er bald gegen die Juden führen würde.
13
Smith lag versteckt unter den Zweigen der Weide und lauschte, während unter
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