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Luegensommer

Titel: Luegensommer
Autoren: Alexandra Kui
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ihren Wagen schnell wieder unter Kontrolle.
    »Pass auf«, brüllt Franka, als die Sache längst zu ihren Gunsten entschieden ist.
    »Haben sie sich geküsst?«
    »Pass lieber auf den Verkehr auf.«
    »Ob sie sich geküsst haben, will ich wissen.«
    Kurzes Zögern. »Ja. Haben sie.«
    »Und das sagst du mir erst jetzt?«, fragt Marit und stellt sich vor, Franka mitten im Unwetter auf dem Seitenstreifen abzusetzen, samt Gepäck. Das würde ihr recht geschehen. Dennoch weiß sie, dass sie es nicht tun wird. Sie wird ihr für den Rest der Fahrt Vorwürfe an den Kopf werfen, sie danach beim Terminal absetzen und sich in letzter Minute mit ihr vertragen, weil man nicht im Streit auseinandergehen soll.
    Die gute Tochter.
    Ihren Zorn wird derjenige zu spüren bekommen, der ihn sich noch viel mehr verdient hat.
    Der Kellner im Beach-Klub und seine Frage »Wie immer?« und Jans unglaubwürdige Erklärung dazu. Jans seltsames Verhalten beim Schwimmen im Meer. Der gekündigte Callcenterjob. Zoés Bemerkung zu Herrn Prigge, Moonracer sei ein Eis für coole Typen. Unter Umständen hätte Marit das Puzzle schneller zusammensetzen können, sogar ohne den letzten, den entscheidenden Hinweis von Franka. Wenn sie nicht so verdammt bescheuert gewesen wäre zu glauben, ihr eigener Freund sei – im Gegensatz zu all den anderen schwanzgesteuerten Mistkerlen auf der Welt – gegen die Verführungskünste eines Mädchens wie Zoé immun. Wenn sie nicht an Treue geglaubt hätte, an gegenseitiges Vertrauen, die heilige Wahrhaftigkeit der ganz großen Liebe.
    Falsch, falsch, falsch!
    Marit schlägt wieder und wieder mit der Faust auf das Lenkrad und spuckt abwechselnd die Worte »Schlampe« und »Arsch« gegen die Windschutzscheibe, teilnahmslos gleiten Wischerblätter darüber hinweg, inzwischen nur noch alle paar Sekunden, da der Regen nachgelassen hat. Im Rückspiegel türmt sich die schwarze Wolkenwand des Gewitters auf.
    Jan und Zoé. Er ist also fremdgegangen, und das sicherlich nicht nur einmal, sondern regelmäßig, er hat sich organisatorisch ins Zeug legen müssen, um sein Doppelleben auf die Reihe zu bekommen. Er hat ihr ins Gesicht gelogen, ohne auch nur zu zwinkern. Marit kaut auf der Unterlippe, bis es blutet, damit sie den eigentlichen Schmerz nicht mehr so spürt, doch nichts hilft. Es tut weh. Alles. Sie war noch nie so verletzt.
    Ihr Verstand taumelt in ihrem Schädel umher wie ein angeschossenes Tier. Gehört Jan jetzt in den Kreis der Verdächtigen? Absurd. Wusste Ansgar Bescheid? Hat er am Ende sogar deswegen die Beherrschung verloren und Zoé erschlagen?
    Immer sachte, ruft sie sich zur Ordnung. Jan saß neben ihr im Auto, als Mimi Perlan starb, Ansgar im Knast. Die beiden haben nichts mit dem Mord zu tun, der gehört in eine andere Schublade. Hier geht es um ihre Beziehung – und die gilt es zu beenden. Vorher wird sie Jan allerdings zur Rede stellen. So lässt sie sich nicht behandeln. Sie nicht.
    Nachdem sie von der Autobahn abgefahren ist, hält Marit am Straßenrand und tippt mit zittrigen Fingern eine SMS an Jan: »Treff heute 14 Uhr in der Laube. Zwecks Aussprache. Wehe, du kommst nicht. Marit.«
    Jans Wagen parkt nicht vor den Schrebergärten. Dennoch steigt Marit aus und stapft mit hochgezogenen Schultern den aufgeweichten Weg entlang bis zur Laube. Niemand da. Er wird schon kommen. Der Schlüssel für den Geräteschuppen befindet sich wie gewöhnlich im Vogelhäuschen, im Schuppen steht eine Gießkanne aus Blech, in der ein Zweitschlüssel für die Laube deponiert ist. Marit verschafft sich Zutritt.
    Ein komisches Gefühl, allein hier zu sein. Wegen des schlechten Wetters kann sie nicht draußen warten, was ihr lieber wäre. Sie setzt sich auf das grüne Sofa, streicht über den fadenscheinigen Cord, die poröse Stelle, wo das weißliche Innenleben des Möbelstücks durchschimmert, und kämpft gegen ihre Erinnerungen an. Die Vorstellung, hier mit Jan geschlafen zu haben, als seine Affäre mit Zoé bereits im Gang war, treibt ihr Tränen in die Augen. Marit wischt sie weg. Er soll sie nicht weinend vorfinden, wenn er sich endlich blicken lässt. Wo bleibt er überhaupt? Schon Viertel nach zwei. Auf ihre SMS hat er nicht geantwortet, aber Marit ist überzeugt, dass er sie gelesen hat. Er trägt sein Handy immer bei sich und schaltet es so gut wie nie aus, höchstens mal beim Arzt. Am einfachsten wäre es, ihn anzurufen, danach wüsste sie mehr, aber sie hat Angst, ihre Stimme könnte brechen oder gänzlich
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