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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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auf sie. »Ganz der Papa, was?«, fragt er, Anerkennung im Blick, und Marit freut sich.
    Martini ist Kunde bei ihnen, lässt sich die meisten Eissorten zu Sonderkonditionen direkt aus der Fabrik liefern, lediglich Zabaione und Schokolade sind hausgemacht, angeblich nach einem alten Familienrezept.
    Sie leert ihr Glas.
    »Kann ich dir noch etwas Gutes tun, bella?«
    »Nein danke. Ich will wieder an die frische Luft.«
    Als sie sich zum Gehen wendet, betritt ein zweiter Gast das Restaurant und steuert geradewegs auf die Bar zu, jemand, den sie kennt und nicht ausstehen kann: Hark Jansen. Er wirkt mitgenommen, weshalb Marit ihn im ersten Augenblick für ein weiteres Peperoni-Opfer hält. Neugierig wartet sie ab, ob er auch Milch bestellt und ob Martini bei ihm die gleichen Sprüche loslässt.
    »Wodka«, sagt Hark Jansen. »Und ein großes Bier.«
    War ja klar.
    Ohne Marit zu beachten, dreht Hark den Tischventilator in seine Richtung und hält mit geschlossenen Augen das Gesicht in den nur mäßig kühlen Luftstrom. Unter der Sonnenbräune ist er blass. Auf seiner Stirn steht Schweiß wie bei einem Fieberkranken. Sie verachtet ihn viel zu sehr, um ihn zu bemitleiden.
    »Harter Tag?« Martini stellt ihm den Wodka hin, das Glas randvoll.
    Hark Jansen trinkt auf ex. Marit fällt auf, dass er Arbeitskleidung trägt: weißes T-Shirt, blaue Latzhose, was sie überrascht. Einen Job hätte sie dem Kerl nicht zugetraut. Trotzdem: Irgendetwas an Hark beunruhigt Marit noch mehr als sonst, und obwohl ihr Instinkt ihr rät, das Weite zu suchen, harrt sie neben ihm aus.
    »Noch einen.« Er zeigt auf das leere Glas und wird sofort bedient.
    »Volle Drehzahl, was?«, fragt Marit.
    Schweigen. Hark trinkt, Martini zapft. Dazu das Rattern des Ventilators und hin und wieder lautes Lachen der Schülerin, die vorn an der Eistheke bedient. Allmählich müssten sich Marits Freunde wundern, wo sie so lange bleibt.
    Beim Bier legt Hark Jansen los. Da niemand sie wegschickt, bleibt Marit stehen und hört alles mit an.
    Spätnachmittags hat er die Fähre genommen, die ein paar Kilometer flussabwärts die Elbe quert, auf dem Heimweg von Schleswig-Holstein ins Niedersächsische. Richtig gut drauf sei er gewesen: »Geiles Wetter und endlich mal pünktlich Feierabend.« In der einen Hand ein Sandwich, in der anderen eine Zigarette habe er an der Reling gestanden, weil es ihm im Auto zu heiß geworden sei, als ihn auf einmal Möwen attackiert hätten, ein ganzer Schwarm.
    »Diese Biester, sie machen dich irre.« Martini mimt den Verständnisvollen, wie es sich für einen Barmann gehört.
    »Hacken dir ins Fleisch wegen so einem Scheißbrötchen«, schimpft Hark und präsentiert eine verschorfte Schramme auf dem Handrücken, nichts Dramatisches.
    Marit und Torben Martini blicken sich über den Tresen hinweg an, es ist keine Frage, dass Hark etwas schwer zu schaffen macht und dass mehr dahintersteckt als die Angriffslust eines Möwenschwarms. Er braucht bloß einen längeren Anlauf.
    Martini füllt das Wodkaglas auf und bietet Marit auch einen an. Sie hat von der Milch einen säuerlichen Nachgeschmack, außerdem will sie vor Hark Jansen nicht als Mimose dastehen, also sagt sie Ja. Eigentlich sind harte Getränke überhaupt nicht nach ihrem Geschmack.
    Während sie trinken – Marit nippt nur –, lassen Hark und Martini sich weiter über Möwen aus. So langsam könnte der Idiot wirklich zur Sache kommen.
    »Wie bist du die Viecher losgeworden?«, fragt Martini mit Engelsgeduld.
    Hark gibt keine Antwort.
    Franka taucht auf, augenscheinlich konsterniert, als sie sieht, in welcher Gesellschaft Marit sich befindet und was sie trinkt.
    »Alles klar mit dir?«
    »Alles klar.«
    »Kommst du mit raus?«
    »Gleich. Geh schon vor.« Aus unerfindlichen Gründen will Marit sie nicht dabeihaben, als ginge das, was Hark Jansen sich von der Seele reden will, nur sie und den Wirt etwas an.
    »Wenn du meinst. Dann bis gleich«, sagt Franka und tritt den Rückzug an, nicht ohne sich zuvor demonstrativ an die Stirn zu tippen. Marit kann es ihr nicht verdenken. Sie weiß selbst nicht, was sie tut.
    Inzwischen hat Hark sich eine Zigarette angezündet und Martini schiebt ihm einen Aschenbecher hin. Absicht oder Gedankenlosigkeit – Hark bläst ihr den Rauch mitten ins Gesicht. Marit hustet. Sie raucht nicht, hat es nie probiert, nicht mal heimlich als Kind, als sie an einem regnerischen Nachmittag zu dritt auf einem stillgelegten Bahngleis im Moor herumstanden, Franka,

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