Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Luegensommer

Titel: Luegensommer
Autoren: Alexandra Kui
Vom Netzwerk:
einzulassen, wenn es einem begegnete. Meistens stand man sich selbst im Weg. Wie ihre Eltern. Die fühlten sich unerklärlicherweise vom Leben so übervorteilt, dass nichts sie erfreuen konnte. Nicht mal die eigene Tochter.
    Zoé hätte den Streit jetzt gern beendet, ihm vorgeschlagen, alles zu vergessen und einfach noch ein paar Stunden miteinander zu genießen, ohne an morgen zu denken. Oder auch nur ein paar Minuten. Aber sie fand nicht die richtigen Worte. Je länger sie stritten, desto weniger hatten sie sich in der Gewalt. Am Ende war alles Geschrei. Sie solle sich gefälligst anziehen. Er solle doch woanders hinglotzen. Prüder, verlogener Dreckskerl. Irgendetwas an der Situation brachte sie schließlich zum Lachen, und da sie sah, wie rasend ihn das machte, steigerte sie sich hinein, worauf er ihr das blaue Kleid zuwarf und sich zum Gehen wandte.
    Zoé hätte ihm nicht drohen sollen. Jeder fürchtet sich vor irgendetwas so abgrundtief, dass ihn der Gedanke, es könnte geschehen, um den Verstand bringt. Sie hatten sich all ihre Geheimnisse erzählt, kannten einander in- und auswendig. Zoé wusste genau, was sie sagen musste – und niemals hätte sagen dürfen.
    Dennoch ging er weiter. Erst nachdem sie ihre Drohung wiederholt hatte, machte er kehrt.
    Dann der Schmerz. Als hätte sie ihren Schädel in einen Flammenwerfer gehalten, ein Gleißen, das sich von ihrer Schläfe über den ganzen Körper ausbreitete und sie spaltete wie ein Blitzschlag einen Baum. Im Fallen sah sie das Grün der Bäume, die Sonnenstrahlen, den Tanz der Mücken und wunderte sich, dass ihr trotz der Hitze kalt wurde. Bis die Farben des Sommers vergingen und sie wusste, der Winter war zurückgekommen, um sie zu holen.

Supersommer
    Kontrolle. Darum geht es doch, oder? Wer die Kontrolle verliert, kann einpacken. Ich hasse dich, weil du mich in der Hand hast. Ich liebe dich aus dem gleichen Grund. Für dich ist alles ein Spiel oder irgendeine Art von Kunst. Aber da irrst du dich. Das hier ist die Wirklichkeit, und die Dinge entwickeln sich in die falsche Richtung. Wir müssen einen Ausweg finden, mit dem wir beide leben können. Bevor etwas Schlimmes geschieht.
    E ndlich Juli. Der erste strahlende Sommertag seit Wochen und am Fluss ist die Hölle los. Marits Bauchgefühl sagt ihr, dass es noch Ärger geben wird. Spätestens in der Mittagshitze, wenn die Jansen-Brüder und ihre Freunde von Bier auf Wodka umsteigen, werden sie das Bedürfnis verspüren, dem Rest der Welt endlich mal wieder zu demonstrieren, was für brutale Schwachköpfe sie sind. Die Kerle haben sich in der Nähe niedergelassen, viel zu nah für Marits Geschmack, und sie würde gern vorsorglich das Feld räumen, aber ihre Freundinnen machen nicht den Eindruck, als wären sie bereit, auf dem überfüllten Elbstrand nach einem neuen Liegeplatz zu suchen. Helene hört mit geschlossenen Augen iPod, ab und zu wippen die rot lackierten Zehen im Takt, Franka liest. Als sie Marits Blick bemerkt, schaut sie auf und lächelt ihr mit einer Mischung aus Spott und Verständnis zu. »Hey, entspann dich. Die Typen da sind doch harmlos. Die meisten von denen kennen wir seit dem Kindergarten.«
    Und sie waren damals schon alles andere als harmlos, denkt Marit, sagt aber nichts. Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie Hark Jansen versucht hat, dem Weihnachtsmann den angeklebten Rauschebart abzufackeln. Die Streichhölzer dazu hatte er unter seinem Nickipullover eingeschmuggelt. Heute trägt er ein quietschgelbes T-Shirt mit der Aufschrift »volle Drehzahl« und hat seinem Freundeskreis den Namen Koma-Klub verpasst.
    »Sag bloß, du hast Schiss vor denen?«
    »Quatsch. Ich will einfach keinen Ärger, das ist alles.«
    »Dann entspann dich endlich. Na los«, verlangt Franka, als wäre es einzig und allein eine Frage des Willens, und knufft ihr in die Seite. »Entspannen. Das ist unser letzter Sommer, da lassen wir uns von niemandem in die Suppe spucken. Das ist unser Strand. Und unser Sommer. Unser Supersommer. Schon vergessen?«
    »Wie könnte ich? Du redest ja von nichts anderem mehr.« Marit knufft zurück, etwas heftiger als beabsichtigt, worauf Franka loskreischt und ihrerseits einen neuen Angriff startet. Sie balgen, bis ihre Strandlaken zerwühlt und voller Sand sind, der ihnen auf der Haut kleben bleibt. Sie haben sich gerade eingecremt. Helene fummelt einen Kopfhörerstöpsel aus dem Ohr. »Spinnt ihr?«
    »Das sind Lockerungsübungen«, keucht Franka, »na los, mach mit.«
    »Nein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher