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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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auf Franka losgehen, wie sie so scheinfromm daliegt, in Hotpants und gelbem Tanktop, ein Schmunzeln im Anschlag, ihre Allzweckwaffe gegen jegliche Ernsthaftigkeit, als wäre alles bloß Spaß. Ihr Gesicht hatte schon immer etwas Wölfisches, das liegt an der spitzen Nase.
    »Das ist der größte Mist, den ich jemals von dir gehört habe. Niemand kann irgendetwas wissen. Woher denn auch? Es gibt ja nicht einmal Beweise.« Als sie merkt, wie übermächtig der Drang wird, Franka zu schütteln, ihre sommersprossigen Wangen zu ohrfeigen, damit sie begreift, wie unfair ihr Verhalten ist, dreht Marit sich um und rennt über den kurz geschnittenen Rasen zur Auffahrt.
    An der Straße holt Franka auf, ein langer Schatten auf dem Fußweg, der rasch näher kommt und sich schließlich mit Marits vereint. »Jetzt warte doch. Es tut mir leid.«
    Marit kennt ihre Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie es diesmal ehrlich meint, und bleibt stehen, immer noch reichlich verärgert. Ihr Herz pocht heftig.
    Das Motorengeräusch eines Flugzeugs, das hoch über ihren Köpfen die Triebwerke drosselt und zu einer Kurve ansetzt, lässt sie beide zum Himmel blicken und weckt bei Franka vermutlich Vorfreude auf ihr bevorstehendes Australien-Abenteuer, während Marit sich mit der Frage herumschlägt, wo um alles in der Welt ihr Bruder in diesem Augenblick stecken könnte.
    Zurück am Pool ist die Stimmung gelöster, und Marit redet sich ihren Frust von der Seele, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, Ansgars Verschwinden erwähnt sie vorsichtshalber mit keinem Wort. Franka ist verständnisvoll, macht aber weiterhin keinen Hehl daraus, dass sie Marits Bruder den Mord zutraut. Ihre Begründung: »Als wir zusammen waren, gab es Tage, da war er blind vor Hass. Das war unheimlich.«
    »Solche Tage haben wir doch alle«, wiegelt Marit ab. Sicher, in Ansgar brodelt es gewaltig und dummerweise für jeden sichtbar. Aber das hat keine Bedeutung, davon ist sie überzeugt. Zumindest nicht für den Mordfall.
    »Du hast mich doch damals selbst vor ihm gewarnt, Marit. Weil er so ein komischer Freak ist. Das hast du so gesagt.«
    »Ja, ein Freak. Meinetwegen. Aber kein Mörder.«
    »Er könnte es im Affekt getan haben.«
    »Nein. Nicht mein Bruder.«
    »Und wenn er nicht dein richtiger Bruder ist?«, fragt Franka. Sie sieht aus, als würde sie erst im Nachhinein begreifen, was sie da zur Sprache gebracht hat.
    »Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?«
    »Nichts weiter.«
    Wieder muss Marit sich zwingen, nicht handgreiflich zu werden. Wenn das so weitergeht, wird Franka sie in den Wahnsinn treiben, es ist, als fordere die Freundin sie geradezu heraus, ihr ins Gesicht zu schlagen. »Franka, jetzt hör auf. Ich kann nicht mehr. Sag einfach, was du zu sagen hast.«
    »Nur so blöder Tratsch. Du weißt doch, wie die Leute sind. Die reden halt.«
    »Und was sagen sie?«
    »Dass Ansgar ein Kuckuckskind ist.«
    »Was?«, fragt Marit, und in der fälschlichen Annahme, dass sie mit dem Begriff nichts anfangen könne, erläutert Franka die pikanten Details: »Angeblich hatte deine Mutter eine Affäre, bevor Ansgar geboren wurde. Na ja, und daher glauben die Leute im Dorf, dass der andere Mann sein Vater ist.«
    So etwas Abstruses ist Marit noch nie zu Ohren gekommen. Als ob ihr Vater sich das hätte gefallen lassen. Das wüsste sie aber. »Und wer soll dieser andere Mann sein?«, fragt sie.
    »Keine Ahnung. Ein Fremder. Aus Holland, heißt es.«
    »Ach? Und deshalb trauen sie Ansgar einen Mord zu, stimmt’s? Weil er angeblich einen Fremden zum Vater hat«, bohrt Marit nach und zerdrückt mit dem Daumen eine Ameise, die den Fehler begangen hat, an ihrem Bein hochzukrabbeln. Normalerweise hätte Marit sie lediglich weggeschnippt.
    »Exakt.«
    »Weißt du, wie bekloppt das ist?«
    »Klar. Irgendwie schon. Aber so reden die Leute eben. Das sind Hinterwäldler. Mach was dran. Deshalb will ich ja nach Australien. Weil ich das alles satthabe. Willst du nicht doch mitkommen?«
    Typisch Franka, die Frage ist garantiert ernst gemeint. Eine Antwort wäre zu viel verlangt.
    Plötzlich wummernde Bässe. Frankas Vater, Geschäftsführer der Kreissparkasse, fährt in seinem silbernen Mercedes-Benz-Cabrio vor, das Verdeck offen, aus den Boxen dröhnt der Sommerhit vom letzten Jahr, ein ziemlich cooler Song. Als Franka ihren 18 . Geburtstag feierte, haben sie wieder und wieder dazu getanzt. Riesenstimmung. Genau hier am Pool.
    »Kuck dir den an. Der junge James Bond«, spottet

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